Cellistin Raphaela Gromes ist für ein neues Album auf weltweite Schatzsuche durch neun Jahrhunderte gegangen, um verborgene Perlen zu finden.
Wussten Sie, dass es fast 2000 Komponistinnen gibt, die uns hörenswerte Musik hinterlassen haben? Trotzdem sind nur wenige von ihnen in der Gegenwart zu finden. Eine Beobachtung, die die Cellistin Raphaela Gromes zu ihrem neuen Album "Femmes" inspiriert hat: "Die Idee hat mir tatsächlich eine Freundin gegeben, die in der Musikbranche gearbeitet hat und der aufgefallen ist, dass sie nie den Namen einer Frau abdruckt, sondern nur männliche Komponisten. Sie meinte: 'Nimm doch mal ein Album nur mit Komponistinnen auf'". Raphael Grommes machte sich auf die Suche und wurde fündig! "Ich bin dieser Freundin so dankbar, dass sie mir diese Idee gegeben hat, denn es war so eine tolle Reise, die ich die letzten zwei Jahre unternehmen konnte. Von der Recherche über das Einstudieren bis jetzt zu den Konzerten, die ich mit dem Programm gebe." Das CD-Release-Konzert z.B. findet diesen Sonntag, 05.02.2023, im Prinzregententheater in München statt.
Es war uns wichtig, zu zeigen, dass es zu jeder Zeit auf der ganzen Welt Frauen gab, die komponiert haben.
Cellistin Raphaela Gromes
Dabei war es gar nicht so einfach eine Auswahl zu treffen und das, obwohl sich Raphaela Gromes schon für ein Doppelalbum entschieden hatte: "Es war eine Qual der Wahl. Doch wir haben uns dann entschieden, nur kürzere Werke mit aufzunehmen, also keine Cellosonaten oder Cellokonzerte, die hätten den Rahmen dann gesprengt. Wir wollten eher ein Kaleidoskop erstellen, eben begonnen bei Hildegard von Bingen über Barockkomponistinnen wie Antonia Walpurgis von Bavaria bis hin zu modernenen Komponistinnen wie Billie Eilish. Es war uns wichtig, zu zeigen, dass es zu jeder Zeit auf der ganzen Welt Frauen gab, die komponiert haben. Wir haben einfach die Perlen herausgesucht und präsentiert und zu einer sinnvollen Dramaturgie miteinander verbunden, schwärmt die Cellistin.
Dabei haben sie viele Komponistinnen überrascht, manchmal einfach, weil sie nicht von deren Existenz wusste. "Da ist die Forschung noch ziemlich hinterher bzw. man entdeckt immer wieder neue Komponistinnen", erklärt sie. "So wie Laura Netzel mit ihrem tollen ungarischen Tanz oder Dolores White mit "Las Tarantulas": ich hatte noch nie etwas von ihr gehört, aber als ich das Stück gehört habe, war mir klar, dass wir es auf die CD nehmen müssen."
Besonders fasziniert hat sie u.a. Henriette Bosmans, die das Cello voll auskostet und deren Werken sich Raphaela Gromes weiterhin ausführlich widmen möchte. Aber auch Pauline Viardot-García hat sie nachhaltig beeindruckt: "Sie war eine gute Freundin von Clara Schumann, man kennt sie aus ihren Briefwechseln. Man dachte immer, sie habe vor allem gesungen und Klavier gespielt. Doch sie hat auch komponiert. Ihre Werke sind mit die Lieblingswerke von mir auf "Femmes", weil sie so frisch sind. Pauline Viardot-García war eine ganz extrovertierte Frau, eine Kosmopolitin, die sechs Sprachen gesprochen hat und sehr weltoffen und neugierig war. Ich finde, diese Offenheit hört man auch in ihrer Musik", schwärmt die Cellistin.
Ich hab mich ja schon immer ein bisschen geärgert, dass es keine Carmen-Fantasie für Cello gibt. Deshalb hatte ich den geheimen Wunsch einer Carmen-Fantasie
Raphaela Gromes, Cellistin
Doch Raphaela Gromes beschränkt sich bei den Damen der Musikgeschichte nicht nur auf Komponistinnen, auch weibliche Opernfiguren finden Platz auf dem Album: "Das erste, dass mir bei dem Albumtitel "Femmes" und "Frauen in der Musikgeschichte" in den Kopf kam, war natürlich "Carmen". Die Femme Fatal, die Opernfigur schlechthin, wenn man an starke Frauen denkt. Ich hab mich ja schon immer ein bisschen geärgert, dass es keine Carmen-Fantasie für Cello gibt. Deshalb hatte ich den geheimen Wunsch einer Carmen-Fantasie. Das hat gut gepasst, denn ich wollte auch der Talestri, der Amazonenkönigin von Maria Antonia Walpurgis von Bayern eine andere wichtige barocke Opernfigur gegenüberstellen wollte: die Dido von Purcell. So kam die Idee auf, mehreren Opernfiguren und Frauen der Musikgeschichte mit aufzunehmen."
Susanna ist die Klügste von Mozarts Charakteren!
Raphaela Gromes, Cellistin
Fasziniert ist die Cellistin auch von der "Susanna" aus Mozarts "Die Hochzeit des Figaros": "Die Klügste von Mozarts Charakteren: bezeichnenderweise keine Königin, wie Dido oder Talestri, sondern ein Dienstmädchen. Doch sie hat letztlich alle Fäden in der Hand und schafft es, nicht nur ihrem eigenen Mann vor Augen zu führen, wie dämlich er ist, sondern auch dem Grafen selbst. Das ist so lustig, komisch und so genial von Mozart, dass ich auch eine Hommage von Susanna auf dem Album haben wollte", erklärt Raphaela Gromes voller Begeisterung.
Doch nicht nur die ausgewählten Werke sind sozusagen Schätze einer vergangenen Zeit, auch das Cello, mit dem sie Raphaela Gromes zum Klingen bringt, ist ein echtes Juwel. Denn sie spielt ein Cello von Carlo Bergonzi. Insgesamt hat der Geigenbauer nur drei Celli gefertigt. Die anderen zwei werden in Tresoren aufbewahrt, Raphaela Gromes ist die einzige Musikerin weltweit, die auf einem solchen Cello spielt. Carlo Bergonzi übernahm die Werkstatt von Antonio Stradivari und arbeitete teils mit den gleichen Hölzern. Ein Umstand, der, laut Raphaela Gromes, dafür sorgt, dass der Klang des Cellos einer Stradivari sehr nahe kommt. Und überhaupt, war es Liebe auf den ersten Ton: "Ab dem ersten Ton war ich berührt und wusste: das ist meine Stimme! Es hat sich wie heimkommen angefühlt, wie das Gefühl, zuhause zu sein. Das war so ein überwältigendes Gefühl für mich, dass ich ab der ersten Tonleiter wusste: Ich habe mein Cello gefunden", erinnert sich die Cellistin.
"It's a match" könnte man sagen! Am Freitag wird "Femmes" von Raphaela Gromes veröffentlich. Titel des Albums hören Sie aber natürlich schon jetzt bei uns. Am Sonntag dann findet in München im Prinzregententheater das CD-Release-Konzert mit den Festival Strings Lucerne statt. Vielleicht der Anstoß für einen Wandel: "Es sind so viele Entdeckungen dabei, von denen ich begeistert bin und ich hoffe einfach, mein Publikum mit meiner Leidenschaft und Begeisterung für diese Werke anzustecken, aber auch andere Musikerinnen und Musiker zu inspirieren und zu ermutigen, ebenfalls Komponistinnen in ihre Programm aufzunehmen."