Lust auf einen Weltraumspaziergang mit einem außerirdisch guten Klassikerlebnis? Möglich macht das die kostenlose „Planeten-App“, der Münchner Philharmoniker. Eine Art "Pokémon GO" für Klassik.
Man läuft in einer Art digitaler Schnitzeljagd durch den Park, ähnlich wie bei Pokemon-Go, und erlebt die verschiedenen Planeten aus Gustav Holsts Orchestersuite. Dafür begibt man sich mit Smartphone und Kopfhörern in den Park. "Die Planeten muss man erst finden", erklärt Sounddesigner und Komponist, Mathis Nitschke, einer der beiden Entwickler. "Dazu hört man aus der Ferne ein Locksignal und man muss darauf achten, aus welcher Richtung man es hört. Wenn man sich dreht, bleibt diese Richtung bestehen - ein bisschen wie bei einer Navigationsapp wie Google Maps: da sieht man einen kleinen Kompass drin und wenn man sich um die eigene Achse dreht, dann dreht sich der Kompass in die Richtung, in die man hinsoll und so kann man sich dann orientieren."
Denn durch eine eigens entwickelte immersive binaurale Technologie, kann man den die Musik nicht nur näher oder ferner, sondern auch über, neben, hinter oder vor sich hören.
Das ganze sieht im Spiel dann folgendermaßen aus: "Also ich komm auf eine Wiese und dann kreist ein Raumschiff hörbar über mir und ist dann auch irgendwann gelandet und wenn ich das Raumschiff erreicht habe, startet es mit mir. Ich finde mich dann akkustisch im All wieder, wo alle (von Holsts) Planeten hörbar sind. Daraus schält sich dann die Musik des ersten Planeten, des Mars heraus. Wenn ich dann den Mars gefunden habe, lande ich automatisch und die Musik beginnt", erläutert Gunter Pretzel, der andere Entwickler und früherer Bratschist der Münchner Philharmoniker.
So besucht man einen Planeten nach dem anderen, jeweils mit einem anderen Orchester, so Nitschke: "Das Orchester kann man sich als Klangfeld vorstellen, in dem man herumlaufen kann und dadurch auch die Lautstärkeverhältnisse innerhalb des Orchesters steuert. Man kann sich also z.B. zu den Bläsern stellen und sie in all ihrer Wucht genießen, oder zu den Streichern..." So als würde man sich bei einem Konzert ungeniert zwischen den spielenden Musikern auf der Bühne bewegen können und ihnen aus nächster Nähe auf die Finger sehen.
Ein Grundgedanke, der Gunter Pretzel sehr wichtig war: "Ich hatte aus dem Orchester heraus schon immer den Wunsch, den Hörer mit hineinzunehmen in das Orchester, weil das dort wirklich einen sehr besonderen Klang hat und ein sehr besonderes Musikerlebnis bieten kann. Das ist aber in der Realität nicht machbar, da das Publikum dann durch das Orchester durchlaufen würde und das Orchester nicht mehr funktionieren könnte." Dank der App ist das jetzt möglich.
Zudem gibt es erläuternde Texte zu den einzelnen Planeten aus Gustav Holsts Suite. Gemeinsam mit der direkt erlebten Musik und der besonderen Umgebung eine unschlagbare Kombination: "So wird aus einer App, die am Anfang eher spielerisch geprägt ist, ein starkes künstlerisches Erlebnis, das man sich - und das haben wir nicht nur bei uns erlebt, sondern bei allen, die bis zum Ende gespielt haben und das waren fast alle - sich tatsächlich ganz verzaubert gefühlt haben und ganz entfernt von dem, wo sie anfangs begonnen hatten", berichtet Gunter Pretzel
Das Gute an der App: sie ist an zahlreichen Standorten spielbar! Schon jetzt ist sie z.B. in Münchner Parks, aber auch in Augsburg, Ingolstadt, Nürnberg, Köln Amsterdam und Venice Beach in Los Angeles zu spielen. In Österreich gibt es bereits einen Standort in St. Pölten, weitere sind bereits in Planung, genauso wie in der Schweiz, dort z.B. in Zürich. Wer sich wünscht, die App auch an seinem Standort spielen zu können, kann sich mit Mathis Nitschke per Email in Verbindung setzen: planets@sofilab.art.
Es ist nicht die erste Zusammenarbeit zwischen Gunter Pretzel und Mathis Nitschke: zuvor haben sie bereits eine andere App realisiert. Dabei haben sie ein Orchester im Park nähe des Gasteigs in München platziert. Um z.B. den Holzbläsern auf die Spur zu kommen, musste man sich dann auch - thematisch passend - durch ein kleines Gehölz kämpfen. Die App fand so großen Anklang, dass der Gedanke aufkam: "Wenn schon ein Orchester so gut funktioniert, warum dann nicht mehrere in einem Park platzieren?" Und da kam ihnen dann direkt Gustav Holsts Planetensuite in den Sinn.
Auf eine Zielgruppe möchte sich Mathis Nitschke nicht unbedingt festlegen - wenn möglich, sollen sich alle davon angesprochen fühlen und somit Neues kennenlernen, z.B. technikaffine Klassikfans die Gamerszene und Gamer die Klassik. Insgesamt ist es eine tolle Möglichkeit, klassikferne Menschen für großartige Musik zu begeistern.
Wer neugierig geworden ist: weitere Infos zu der App gibt es hier.