Konzertdesigner - Neue Konzepte für ein neues Publikum

InterviewKonzertdesigner - Neue Konzepte für ein neues Publikum

Immer häufiger werden traditionelle Konzertformate hinterfragt und neue Konzepte für Musik-Performances entworfen und zur Aufführung gebracht. Für diese Aufgabe gibt es nun einen neuen Beruf: Der Beruf der Konzertdesigner. Klassik Radio hat mit Konzertdesignerin Hanni Liang gesprochen, was es mit dem Beruf auf sich hat.

Konzertdesigner - Neue Konzepte für ein neues PublikumFoto: Babb/stock.adobe.com

Wie kann man heute und in Zukunft ein neues Publikum für klassische Konzerte begeistern? Eine mögliche Antwort auf diese Frage bietet das Konzept des Konzertdesigns. Es beschreibt die bewusste Gestaltung und Neuinterpretation von Konzertformaten, um die traditionelle Aufführungspraxis zu hinterfragen und neue, zeitgemäße Wege zu finden, klassische Musik einem breiteren Publikum näherzubringen.

Dabei geht es nicht nur um die Musik selbst, sondern auch um die aktive Einbindung des Publikums, die gezielte Nutzung des Raums und die künstlerische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen. Konzertdesign hinterfragt, wie Konzerte Menschen heute berühren, herausfordern und inspirieren können.

Zu den Vorreiterinnen auf diesem Gebiet zählt die Pianistin Hanni Liang. Sie verbindet ihr musikalisches Können mit einer Leidenschaft für Innovation und gesellschaftliche Reflexion und entwickelt so neuartige Konzertformate, die klassische Musik auf überraschende und fesselnde Weise erlebbar machen.

Klassik Radio: Was verstehen Sie unter Konzertdesign?

Hanni Liang: Konzertdesign ist ein relativ neuer Begriff, der von Folkert Uhde (Kulturmanager in Berlin und Potsdam, Anm. d. Red.) ins Leben gerufen wurde. Für mich bedeutet er vor allem zu hinterfragen, was das Konzert alles sein kann und auch, was es heutzutage bedeutet sich mit Kunst zu beschäftigen. Wie verstehen wir uns als Künstlerin oder Künstler und welche Aufgaben und Verantwortung sind damit verbunden.

Klassik Radio: Wie sieht Ihr Alltag als Konzertdesignerin aus?

Hanni Liang: Ich sehe mich vor allem als Pianistin und Mutter, was meinen Alltag stark strukturiert. Vormittags widme ich mich intensiv dem Klavierspiel, das die Basis meiner künstlerischen Arbeit bildet. Gleichzeitig entwickle ich in Meetings mit Veranstaltern neue Konzertformate, in denen Musik in neue Kontexte gesetzt wird. Viele meiner Ideen entstehen auch unterwegs – zum Beispiel auf Zugfahrten. Besonders der Austausch mit anderen inspiriert mich und hilft mir, Konzepte weiterzuentwickeln.

Klassik Radio: Welche Fähigkeiten braucht man für Konzertdesign?

Hanni Liang: Offenheit, Neugier und der Wunsch, Traditionen weiterzuentwickeln, sind entscheidend. Da es keine klassische Ausbildung für Konzertdesign gibt, ist der Einstieg oft unkonventionell. In meinem Fall begann die Auseinandersetzung mit dieser Frage, als ich nach einem erfolgreichen Debüt in der Elbphilharmonie eine Sinnkrise durchlebte: Warum mache ich Musik? Welche Bedeutung hat sie für mich und andere? Diese Reflexion führte mich zu neuen Konzertformaten, die mehr sein sollen als reine Aufführungen – sie sollen Fragen stellen und Dialoge eröffnen.

Klassik Radio: Wie sieht Ihr kreativer Prozess aus?

Hanni Liang: Mein kreativer Prozess ist dynamisch und oft intuitiv. Inspiration kann überall entstehen – durch Werbung, Literatur, Gespräche oder Erlebnisse mit meinen Kindern. Anfangs sammle ich möglichst viele Impulse, die ich in einer ersten Brainstorming-Phase ordne. Große Themen wie "Freiheit" erfordern tiefgehende Recherche, um relevante Aspekte herauszuarbeiten. Ich stelle mir immer die Frage: Wie kann ein Konzert Kontextualisierungen ins Hier und Jetzt schaffen?

Klassik Radio: Welche Rolle spielt das Publikum?

Hanni Liang: Eine essenzielle. Ich frage mich bei jeder Konzeption: Für wen spiele ich? Welche Beziehung entsteht zwischen Künstler und Zuhörer? Soll das Publikum rein hörend erleben oder aktiv involviert werden? Diese Überlegungen fließen stark in meine Konzertgestaltung ein, denn das Publikum ist immer Teil des künstlerischen Moments.

Klassik Radio: Wie verbinden Sie Kreativität mit den starren Strukturen des Konzertbetriebs?

Hanni Liang: Klassische Konzertsäle sind oft mit festen Konventionen verbunden, aber das sehe ich als kreative Herausforderung. Mich interessiert, wie sich Räume und Strukturen verändern lassen, um ein intensiveres Musikerlebnis zu schaffen. Es macht mir Freude, Erwartungen zu hinterfragen und zu provozieren, um neue Impulse zu setzen.

Klassik Radio: Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Hanni Liang: Ein Beispiel ist meine Performance von "Watermark" von Caroline Shaw in der Elbphilharmonie. Der Begriff "Wasserzeichen" inspirierte mich zu Fragen über Eigentum und Zugehörigkeit: Wem gehört die Bühne? Wem gehört das Wasser? Ich ließ das Publikum den ersten Ton summen, während ich mit einer Wasserschale von den Zuschauerrängen zur Bühne ging. Es war ein bewegender Moment, der die Verbindung zwischen Musik und der Essenz unseres Lebens – Wasser – spürbar machte.

Klassik Radio: Wie viel Freiheit haben Sie in Ihrer Arbeit?

Hanni Liang: Freiheit ist ein Prozess des Aushandelns mit Veranstaltern und Partnern. Unterschiedliche Standpunkte führen zu Reibung, aber genau daraus entstehen oft die spannendsten Ideen. Ich sehe diesen Dialog als essenziellen Bestandteil meiner Arbeit.

Klassik Radio: Welche Rolle spielt Technologie für Sie?

Hanni Liang: Technologie gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ich beschäftige mich mit der Frage, wie KI unser Musikerleben verändert und arbeite mit Experten wie Ali Nikrang zusammen, um neue Formen der musikalischen Interaktion zu erforschen. Besonders spannend finde ich die Frage, wie KI unsere Gesellschaft beeinflussen wird und was es bedeutet, menschlich zu sein. Diese Überlegungen inspirieren mich zu neuen Konzertformaten.

Klassik Radio: Wird Konzertdesign die Zukunft der klassischen Musik prägen?

Hanni Liang: Ich denke, ja. Konzertdesign ermöglicht es, klassische Musik in neue Kontexte zu setzen und sie für ein breiteres Publikum erlebbar zu machen. Es schafft Räume für Reflexion und Wandel. Die Gesellschaft verändert sich ständig – und mit ihr auch die Kunst. Ich hoffe, dass Konzertdesign diesen Prozess weiter antreibt und inspiriert.

Das Interview führte Valeska Baader.

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