Casta diva, o keusche Göttin, wendet sich die gallische Priesterin Norma in Bellinis gleichnamiger Oper an den Mond und erbittet ein Zeichen des Friedens, um den Krieg mit den Römern abzuwenden.
In 89 Auftritten verkörperte Maria Callas seit 1948 die Norma, jene weibliche Heroin, die ihr Schicksal in ihrem selbstlosen Opfer auf dem Scheiterhaufen besiegelte.
Von ihrer kultur- und musikbegeisterten Mutter getrieben, stieg sie zur Ikone der klassischen Musikwelt auf; brillierte in über vierzig Partituren und wurde das Sinnbild par excellence der Primadonna assoluta des 20. Jahrhunderts. Maria Callas, la Grande Dame des Belcanto, deren privates Leben selbst dem Handlungsstrang einer tragischen Oper gleichkommt: es zeugt von einem schnellen Aufstieg, begleitet von mehreren Liebesaffären und endete in einem frühen, einsamen und tragischen Tod. Ein Ende, welches dem Schicksal jener Heldinnen gleichkam, die sie persönlich am liebsten verkörperte. Allen voran Bellinis Norma, gefolgt von Verdis Violetta in La Traviata.
Bis heute bildet sich um Maria Callas eine Aureole von Stil und Leid, Perfektion und Verzweiflung, derer musikalisches Potential im Belcanto unsterblich wurde. Leonard Bernstein nannte sie „the Bible of Opera“. 2007 wurde sie postum mit dem Grammy für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, während die BBC sie im gleichen Jahr als die größte Sopranistin des vergangenen Jahrhunderts titulierte.
Maria Callas (Maria Anna Sofia Cecilia Kalogeropoulou) erblickte am 2. Dezember 1923 in New York City das Licht der Welt. Die ursprünglich aus Peleponnes stammende Familie immigrierte bereits einige Jahre zuvor in die neue Welt, allerdings kehrte Maria mit ihrer Mutter und ihrer Schwester 1937 nach Athen zurück, nachdem sich die Eltern scheiden ließen.
Wesentlicher Impetus für die musikalische Förderung ging von ihrer Mutter aus, die das Talent ihrer Tochter bereits im Alter von drei Jahren entdeckt haben soll. Später kritisiert Maria jedoch das Verhalten ihrer Mutter, was zu einem Bruch in der Beziehung führte.
Von der glanzvollen Karriere lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nichts erahnen: Die Bemühungen, Maria am Konservatorium von Athen unterzubringen, scheitern. Erst die Aufnahme am jüngeren Griechischen National Konservatorium im Jahre 1937 glückt. Als Schülerin sei sie vorbildlich gewesen. Sie habe jeden Tag bis zu sechs Stunden geübt, erinnert sich eine ihrer Lehrerinnen Maria Trivella. Der Fleiß zahlt sich schnell aus. Nach nur sechs Monaten war Maria in der Lage große Teile der schwersten Opernpartituren zu meistern. Ihre stimmliche Färbung und Breite sollte sich in den darauffolgenden Jahren maßgeblich durch den Einfluss Elvira de Hidalgos in Richtung des Belcanto entwickeln, als Maria 1939 in Kontakt mit dieser am Athener Konservatorium kam.
Die nachfolgenden Jahre sind geprägt von den ersten Erfolgen in ihrem Heimatland (1942 als Marta in Tosca). Der internationale Erfolg begann sich zunächst in Italien abzuzeichnen. Entscheidende Wegweiser waren sowohl der Kontakt mit Tullio Serafin, (der Maria 1946 für die Rolle der Gioconda in der gleichnamigen Oper von Amilcare Ponchielli besetzte und in dieser debütierte,) als auch die Ehe mit Giovanni Battista Meneghini.
Ein Wendepunkt in Marias musikalischer Laufbahn erfolgte 1949 in Venedig, als sie die Rolle der Brünnhilde in Wagners Die Wallküre am Teatro la Fenice übernahm. Im selben Jahr ebnete die Aufführung von I Puritani den Pfad in Richtung des Belcanto weiter, was eine Renaissance der Opern Donizettis, Cherubini, Rossini und Bellini mit sich führte.
Die 1950er Jahre verzeichneten den Höhepunkt ihrer Karriere. 1951 debütierte Maria an der Scala (welche in den 50ern ihr musikalisches Stammhaus werden sollte) mit I Vespri Siciliani. Einer Rolle, in der sich ihre stimmliche Reichweite bis zum fis offenbarte. Gekrönt wurde dies durch das dreigestrichene f in Rossinis Armida.
Ihre Stimme und Klangfarbe sind es, die polarisierten: die einen sahen in ihrer unkonventionellen Stimme eine musikalische Offenbarung, während andere diese als zu schwer und unausgewogen kritisierten. Maria Callas sagte in einem Interview mit Norman Ross 1957: „Some say I have a beautiful voice, some say I have not. It is a matter of opinion. All I can say, those who don't like it shouldn't come to hear me.”
Dem Debüt an der Scala folgten weitere an der MET und am Royal Opera House Covent Garden.
Dennoch war dieser Höhenflug begleitet von zahlreichen Skandalen und Kontroversen, die das Bild der exzentrischen Diva prägten und den öffentlichen und privaten Sinkflug einleiteten. Zu erwähnen: die Kontroverse mit Renata Tebaldi, der Eklat am Teatro dell´Opera di Roma 1958, der Rauswurf an der MET und die Affäre mit Aristoteles Onassis.
Dem letzte Bühnenauftritt der Callas am 5. Juli 1965 in London folgte eine Tournee mit Giuseppe di Stefano, die kommerziell erfolgreich, musikalisch aber scharf kritisiert wurde: Ihre Stimme habe an Kraft und Ausdruck eingebüßt und reiche nicht mehr an die früheren Erfolge heran.
Nach der Trennung von Onassis flüchtet sich Maria immer mehr in die Isolation in ihre Wohnung in Paris, wo sie am 16. September 1977 im Alter von 53 Jahren in Folge eines Herzinfarktes stirbt. Ihre Asche wurde 1979 in der Ägäis verstreut.
Maria Callas hinterlässt ein enormes musikalisches Erbe. Ihre Stimme und Einspielungen setzen seit jeher den normativen Maßstab der Opernwelt.
„Die Callas, das wissen heute selbst die amusischsten Zeitgenossen, ist in der Welt der Oper so etwas wie die Coca-Cola unter den Softdrinks – und also mehr als ein geschütztes Warenzeichen: eine Metapher, ein süßes Lebensgefühl, ein Fetisch, eine zugleich von dunklen Sagen umwobene Geheimrezeptur.“ (Die Zeit, Nr. 41/2014, 1. Oktober 2014)
Bis heute gilt Maria Callas neben Luciano Pavarotti als kommerziell erfolgreichster Klassik Star aller Zeiten. Auch in diversen Filmen wurde ihr ein Denkmal gesetzt: