Leopold Stokowski war und ist berühmt-berüchtigt für seine freie Interpretation von klassischer Musik.
Oft ging er viel weiter als die Noten es hergaben, fügte hinzu, ließ weg und schrieb Klavierstücke für ein ganzes Orchester um. Zeit seines Lebens war er immer auf der Suche nach dem perfekten Klang.
„Was Komponisten komponieren, existiert nur auf dem Papier. Manche glauben, dass man die Zeichen auf dem Papier bloß mechanisch wiedergeben sollte, aber daran glaube ich nicht. Man muss sehr viel weiter gehen.“
Stokowski wurde 1882 in London geboren, als Sohn eines polnischstämmigen Vater und einer irischen Mutter. Stokowski selbst machte ein Geheimnis aus seinem Geburtsort. Mal gab er Krakau an, mal Pommern. Mit 23 war er ausgebildeter Organist mit Bachelor of Music. Aufgenommen hat er das Studium bereits mit 14 Jahren.
Danach arbeite er als Dirigent und Arrangeur für diverse unterschiedliche Auftraggeber. Mit 93 dirigierte er sein letztes Konzert.
Ebenso galt er als unglaublich pingelig. Zwar war er so frei und machte beispielsweise kurzerhand aus Claude Debussys eigentlich ruhigem Klavierstück "Clair de lune" ein aufgeblasenes bombastisches Werk für ein ganzes Orchester, dennoch musste jede Note sitzen. Auf seinen Aufnahmen hört man keine Fehler. Ein „seismografisches“ Gehör soll der Perfektionist gehabt haben, ebenso wie eine überaus gut entwickelte Vorstellungskraft für orchestralen Klang. Seine befehlsgefärbte Arbeitsweise wird deutlich, als er danach gefragt wird „Was eigentlich ein Dirigent“ sei. Er antwortete darauf: „Warum Dirigenten und Generäle so alt werden? Vielleicht liegt es am Vergnügen, anderen seinen Willen aufzuzwingen.“
1905 zog es ihn in die USA, er dirigierte aber in der ganzen Welt, unter anderem die Wiener Philharmoniker. In den Staaten gründete er das American Symphony Orchestra. Im anglo-amerikanischen Raum galt er als Stardirigent, als „Klangzauberer“, Deutschland und Österreich beäugten ihn kritisch für seine freie Interpretationsart.
Aber Stokowski war nicht nur als Dirigent weltbekannt. Über 700 Tonaufnahmen schuf er zwischen 1917 und 1977. Bekannt war er vor allem für seine Zusammenarbeit mit Glenn Gould, mit dem er Ludwig van Beethovens 5. Klavierkonzert aufzeichnete. Außerdem dirigierte und arrangierte er für diverse Hollywoodfilme Musik, am bekanntesten davon Disneys Fantasia.
Nachwuchsförderung lag Stokowski aber ebenso am Herzen. Mehr noch als andere Dirigenten förderte er junge Komponisten und dirigierte ihre Werke: Alan Hovhaness, Darius Milhaud, Aaron Copland und José Serebrier sind nur einige Namen.
Mit 95 Jahren starb Leopold Stokowski in England an einem Herzinfarkt. Bis zum Schluss arbeitete er als Dirigent, er hatte sogar einen Vertrag mit CBS Records, der ihn bis zum 100. Lebensjahr gebunden hätte.