Johann Christian Bach – der „andere“ Bach, der oft im Schatten seines Vaters, Johann Sebastian, stand, aber dennoch ein bemerkenswertes und einflussreiches Leben als Komponist führte. Geboren als jüngster Sohn in eine Familie, deren Name fast synonym mit musikalischem Genie war, musste Johann Christian von klein auf mit der Bürde umgehen, dass sein Vater der große „Bach“ war – der Titan der Barockmusik.
Johann Christian wurde am 5. September 1735 bei Leipzig geboren, als jüngstes von 13 Kindern. Schon bei seinen ersten Versuchen am Pedalclavier stand der kleine Christian unter der ständigen Beobachtung seines Vaters. Als dieser schließlich 1750 starb, wurde der damals 15-jährige Johann Christian von seinem Halbbruder Carl Philipp Emanuel Bach unter die Fittiche genommen. Carl Philipp – ebenfalls ein hochbegabter Komponist und Musiker – setzte sich mit eiserner Disziplin daran, seinen kleinen Bruder zu einem erstklassigen Pianisten zu machen. Berlin wurde sein neues Zuhause, und Christian machte sich tatsächlich bald einen Namen als brillanter Musiker. Doch den ständigen Vergleich mit seinen beiden „übergroßen“ Familienmitgliedern – Carl Philipp und Johann Sebastian – sollte er nie ganz loswerden.
Schließlich zog es ihn von Berlin nach Italien – Land der Oper, Sonne und Freiheit. In Italien blühte er auf, lernte bei dem berühmten Padre Martini und konvertierte zum Katholizismus (womit er nicht nur eine Anstellung am Mailänder Dom erhielt, sondern auch seinen Bruder Carl Philipp empörte – dieser schimpfte, dass Johann Christian mit seiner Musik nichts Substanzielles mehr zu sagen habe).
Opern komponierte er in der Folge wie am Fließband, eine Karriere, die ihn nach London führte. In England wurde er zum Musikmeister von Königin Sophie Charlotte und einem der führenden Köpfe am berühmten King's Theatre. Hier wirkte er als „Londoner Bach“ – ein Titel, den er gerne trug, um sich von den restlichen Familienmitgliedern abzuheben. Johann Christian genoss seine Rolle als gefeierter Komponist und Pianist, und sogar ein gewisser junger Wolfgang Amadeus Mozart nahm Unterricht bei ihm. Der kleine Mozart bewunderte ihn sehr, und so wundert es kaum, dass man bis heute den Einfluss von Bachs Musik auf dessen Wirken deutlich hören kann.
Trotz seiner Erfolge in der Opernwelt war das Leben in London jedoch nicht immer leicht. Während seine Aufführungen oft bejubelt wurden, konnte er mit seinen Oratorien nicht an den Ruhm von Georg Friedrich Händel heranreichen, dessen Geist die britische Musikwelt weiterhin dominierte. Besonders peinlich war es, als Johann Christian sich während einer Aufführung von „Gioas, re di Giuda“ an das Orgelspiel wagte – das Publikum erwartete das majestätische Spiel eines Händels und quittierte seine Bemühungen mit einem ungnädigen Auszischen.
Neben seiner Tätigkeit als Opernkomponist und Organist gründete Johann Christian zusammen mit Carl Friedrich Abel die ersten Londoner Abonnementskonzerte – die legendären „Bach-Abel Concerts“, die fast zwei Jahrzehnte die Londoner Musikszene bereicherten. Doch während seine Sinfonien und Konzerte begeistert aufgenommen wurden, begann sein Stern ab den späten 1770er Jahren allmählich zu sinken. Intrigen am Theater, der Erfolg jüngerer Komponisten und schließlich gesundheitliche Probleme brachten ihn an den Rand des Ruins.
Am Ende seiner Tage sah sich Johann Christian gezwungen, London zu verlassen und in den Vorort Paddington zu ziehen. Finanziell angeschlagen und von Krankheit gezeichnet, starb er am 1. Januar 1782, ohne dass die Musikwelt nennenswerte Notiz von seinem Tod nahm. Ein tragisches Ende für einen Mann, der einst auf dem Gipfel des Ruhms gestanden hatte. Die britische Königin übernahm aus Mitgefühl die Begräbniskosten und sorgte für seine Witwe – eine letzte noble Geste für einen Mann, der stets im Schatten seiner Familie stand, aber der trotzdem einen bedeutenden Beitrag zur Musikgeschichte geleistet hat.
Und so bleibt Johann Christian Bach ein faszinierendes Rätsel: Ein talentierter Komponist, der immer irgendwie im Schatten seines Vaters und seiner Brüder blieb, und doch derjenige, der mit seiner Musik eine Brücke zwischen Barock und Klassik schlug, ja sogar als „Erfinder der Wiener Klassik“ gilt. Ein Werk mit Nachhall, das leider viel zu oft übersehen wird.