Er zählt zu den erfolgreichsten Dirigenten unserer Zeit...dabei mochte er den Beruf eigentlich nie!
Dirigieren war nie sein Traumjob. Eigentlich missfällt ihm sogar recht viel an diesem Job: Der Glanz, die Macht, die Rangfolge und diese Routine wie man mit Orchestern arbeiten sollte – Dinge, die seiner Meinung nach repräsentativ für einen Dirigenten sind. Mit all diesen Dingen fühlt er sich unwohl. Lediglich ein kleiner Teil des Berufs gefällt ihm und das ist die Musik. Dennoch zählt Iván Fischer zu den weltweit erfolgreichsten Dirigenten unserer Zeit.
Iván Fischer wurde am 20. Januar 1951 in Budapest, in Ungarn, geboren. Er stammt aus einer sehr musikalischen Familie: Sein Bruder Ádám ist ebenfalls Dirigent und auch Vater Sándor war Dirigent, Arrangeur, Komponist und Übersetzer von Libretti.
Nach seiner Schulausbildung studierte Fischer zunächst Klavier, Geige, Cello und Komposition am Bartók Konservatorium in Budapest. Er setzte sein Studium in Wien fort, wo er Cello und alte Musik studierte und eher zufällig zum Dirigieren kam. Er studierte in der Dirigierklasse von Hans Swarowsky und arbeitete außerdem als Assistent von Nikolaus Harnoncourt.
1983 kehrte Fischer nach Ungarn zurück, wo er gemeinsam mit dem Pianisten und Dirigenten Zoltán Kocsis das Budapest Festival Orchestra gründete. Zunächst kam das Orchester nur zu einzelnen Projekten zusammen, woher auch der Name „Festival Orchestra“ kommt. Ab 1992 wurde das Orchester zu einem ständigen Orchester, das heute zu den besten Orchestern der Welt gehört. Fischer wollte den Namen jedoch nicht ändern. Seine Begründung dafür ist einfach: „Jedes Konzert soll ein Fest sein.“2 Trotz anderer Anstellungen ist Fischer noch immer Chefdirigent des Budapest Festival Orchestra und er plant es auch bis zum Ende seines Lebens zu bleiben.
Iván Fischer hat den Ruf als „visionärster Orchesterleiter der Welt“. Er hat immer wieder neue Ideen für Konzerte: Öffentliche Proben, Konzerte, bei denen die Zuschauer die Stücke die gespielt werden, aufnehmen dürfen, Marathon-Konzerte, „Mittendrin-Konzerte“, bei denen die Zuschauer zwischen den Musikern sitzen. Auch experimentiert er mit den Konzertzeiten. Um jüngere Leute anzusprechen, gibt er zum Beispiel Konzerte von 0-1 Uhr Nachts, da das seiner Meinung nach die Zeit ist, zu der junge Leute Zeit haben.
Auch mit der Sitzordnung der Orchester experimentiert Fischer. Er nutzt weder die traditionelle deutsche noch die amerikanische Sitzordnung, sondern seine eigene: Die Kontrabässe platziert er hinter den Holzbläsern, die Blechbläser setzt er seitlich, die Geigen trennt er, damit die zweiten Geigen nicht immer im Schatten der ersten stehen. Fischer sagt, dass ich die einzelnen Musiker so sich selbst und die anderen besser hören könnten, was sich wiederum auf den Klang, vor allem auf die Intonation, auswirkt. „Ein Orchester sollte immer ein Labor sein, nie ein Museum“, erklärt Fischer. Die Orchester in der Form, in der man sie heute kennt, seien schon gut 100 Jahre alt, sie müssten aufpassen, dass sie nicht zu Museen würden. Sie müssten etwas dafür tun, aktuell zu bleiben.
Nach verschiedenen Anstellungen als Operndirektor und Chefdirigent übernahm Fischer im August 2012 den Posten des Chefdirigenten des Korzerthausorchesters Berlin. Seit dem wohnt er zeitweise in Berlin und zeitweise in Budapest. Kürzlich wurde bekannt, dass er seinen Vertrag 2018 nicht verlängern wird, da er sich lieber wieder mehr auf das Komponieren konzentrieren möchte. Dem Orchester wird er aber als Ehrendirigent erhalten bleiben und weiterhin ab und zu Konzerte dirigieren.
Der mehrfach für sein musikalisches Schaffen ausgezeichnete Dirigent ist auch politisch aktiv. So äußerte er sich mehrfach kritisch gegenüber der Ungarischen Politik, was zur Folge hatte, dass die Stadt Budapest seinem Orchester, dem Budapest Festival Orchestra, die finanzielle Unterstützung kürzte. Manche ungarische Kollegen Fischers treten aus Protest nicht mehr in Ungarn auf, Fischer jedoch findet diese Art von Protest falsch.Er möchte aus dem Land heraus etwas bewegen. Und das tut er mit seinem Orchester: So rief Fischer 2015 gemeinsam mit dem Orchester das „Bridging Europe Festival“ ins Leben, mit dem er für eine Einheit in Europa plädiert, für Gastfreundschaft und für Toleranz. Desweiteren tritt Fischer mit seinem Orchester an vergessenen und tabuisierten Orten, wie zum Beispiel in verlassenen Synagogen auf. Die Konzerte sind kostenlos und jedes Mal wird zunächst etwas zu dem Ort erzählt. Damit möchte Fischer dem Rassismus in Ungarn entgegenwirken und mehr Toleranz erreichen. Auch in der Flüchtlingshilfe ist Fischer aktiv: Er organisierte selbst Lastwagen mit Lebensmitteln, Decken und anderen Hilfsgütern, sowie Unterkünfte.