Carlos Kleiber

DirigentCarlos Kleiber

Ein Dirigent, der sich jeder Konvention entzog und dennoch als einer der Größten aller Zeiten gilt? Carlos Kleiber war ein Perfektionist, der nur dirigierte, wenn alles stimmte, und dessen seltene Auftritte zu Legenden wurden. Warum fasziniert er Musiker bis heute? Und was machte seine Kunst so einzigartig?

Carlos KleiberFoto: Mirschel, Hansjoachim/CC BY-SA 3.0

Carlos Kleiber war kein Dirigent der "halben Sachen". Wer ihn je erlebt hat – sei es in einem Konzert oder durch eine seiner wenigen, legendären Aufnahmen –, wird dieses Erlebnis so schnell nicht wieder vergessen. Seine Musik strotzt förmlich vor Energie; nichts ist routiniert oder vorhersehbar. Doch genau diese Perfektion hatte ihren Preis: Kleiber mied den Starrummel, sagte Konzerte oft kurzfristig ab und hinterließ trotz seines Genies nur eine Handvoll Aufnahmen. Warum also gilt er heute als eine der größten Dirigentenlegenden überhaupt?

Ein Talent, das nicht sein sollte

Geboren wurde er am 3. Juli 1930 in Berlin als Karl Ludwig Bonifacius Kleiber. Sein Vater, Erich Kleiber, selbst ein hochangesehener Dirigent, sah in ihm alles – nur keinen Musiker. Zu unsicher, zu mühselig sei dieser Beruf. Die Familie emigrierte 1935 nach Buenos Aires, und Carlos – wie er sich nun nannte – begann zunächst ein Chemiestudium in Zürich. Doch das Experimentieren mit Säuren und Basen konnte nicht ansatzweise mit seiner Faszination für die Musik mithalten. Heimlich begann er zu komponieren und zu dirigieren. Schließlich musste sich auch sein Vater eingestehen: Sein Sohn war ein Musiker. Und was für einer.


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Perfektionist ohne feste Heimat

Kleiber startete als Repetitor in München, dirigierte bald in Düsseldorf, Zürich und Stuttgart, bevor er an der Bayerischen Staatsoper und der Wiener Staatsoper berühmt wurde. Doch eine feste Stelle? Niemals. Kleiber verweigerte sich dem System. Er war ein Perfektionist, der nur dann dirigierte, wenn alles für ihn passte – das Orchester, die Probenzeit, die Atmosphäre. Ein Vertrag, der ihn zu regelmäßigen Auftritten verpflichtete? Undenkbar. Er lehnte sogar Angebote für die Chefposten in Wien und Berlin ab.

Seine seltenen Auftritte machten ihn zur Legende. Wenn Kleiber dirigierte, war es ein Ereignis. Musiker berichteten von magischen Proben: Er ließ nicht einfach eine Symphonie erklingen – er formte sie mit einer Leichtigkeit und Eleganz, die jeden Takt zum Leben erweckte. Seine Dirigierbewegungen waren geschmeidig, voller Verständnis für die Musik.


Die Suche nach dem perfekten Klang

Berühmt wurde Kleiber vor allem für seine Interpretationen von Beethoven, Brahms und Strauss. Seine Aufnahme der 5. und 7. Symphonie von Beethoven mit den Wiener Philharmonikern gilt bis heute als Referenz. Sie ist energiegeladen, straff und doch unglaublich flexibel. Kein Wunder, dass er in einer BBC-Umfrage unter 100 Dirigenten zum größten Dirigenten aller Zeiten gewählt wurde.

Doch so brillant seine Kunst war – so sprunghaft war er als Mensch. Er sagte Konzerte oft in letzter Minute ab, ließ Einladungen unbeantwortet und entzog sich Interviews fast völlig. Sein Perfektionismus war auch seine Bürde. Der Dirigent Riccardo Muti nannte seinen Tod einen "Verlust für die Musik" und beschrieb Kleiber als "einsamen Giganten".

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Ein Genie, das sich der Welt entzog

Kleibers Einfluss auf andere Musiker war enorm. Plácido Domingo nannte ihn ein Genie, Herbert von Karajan, selbst eine Dirigenten-Ikone, war von ihm fasziniert und sagte einmal: "Wenn Sie Carlos Kleiber haben, brauchen Sie mich nicht."

Und doch blieb er zeitlebens ein Rätsel. 2004, nachdem seine Frau verstorben war, zog er sich endgültig aus der Öffentlichkeit zurück. Wenige Monate später, am 13. Juli, verstarb er in Slowenien.

Seine Diskographie ist schmal – doch jede einzelne Aufnahme ist ein Schatz. Wer ihn nie gehört hat, sollte es nachholen: Diese Musik atmet, sie lebt, sie packt einen mit einer Intensität, die nur wenige Dirigenten erreichen. Vielleicht ist es genau das, was Carlos Kleiber zur Legende macht: Nicht die Menge seines Schaffens, sondern die Qualität. Und die war schlicht unvergleichlich.

Holger Hermannsen / 18.02.2025

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