Während Namen wie Bach, Beethoven und Mozart in der klassischen Musik allgegenwärtig sind, fristen die Werke vieler talentierter Komponistinnen ein Dasein im Schatten ihrer männlichen Kollegen. Zum Weltfrauentag möchten wir deshalb einige bemerkenswerte Frauen vorstellen, deren Musik unbedingt (wieder) entdeckt werden sollte.
Musik war in der westlichen Welt jahrhundertelang ein männliches Terrain. Während Männer als Komponisten, Dirigenten und Virtuosen gefeiert wurden, wurden Frauen oft auf die Rolle der Interpretin oder Muse reduziert. Komponistinnen wurden nicht ernst genommen, ihre Werke nicht veröffentlicht, ihre Karrieren systematisch verhindert.
Die Gründe dafür lagen nicht etwa in einem Mangel an Talent, sondern in den gesellschaftlichen Strukturen. Frauen wurde schlicht der Zugang zu Ausbildung, Aufführungsmöglichkeiten und Verlagen verwehrt. Viele mussten sich unter männlichen Namen veröffentlichen oder ihre Werke von Männern in ihrem Umfeld präsentieren lassen.
Doch die Musikgeschichte lässt sich nicht nur aus der Perspektive der Männer erzählen. Zum Weltfrauentag, wollen wir einige der Frauen würdigen, die trotz aller Widerstände komponierten, die sich durchgesetzt haben – und die wir trotzdem viel zu lange vergessen haben.
Fanny Mendelssohn war nicht nur die Schwester des berühmten Felix Mendelssohn Bartholdy – sie war eine eigenständige, außergewöhnliche Komponistin und Pianistin. Doch obwohl sie über 450 Werke schrieb, wurde ihr von klein auf eingebläut, dass Musik für sie „nur Zierde“ sei.
Die Botschaft war klar: Egal, wie talentiert sie war, ihre Bestimmung war nicht die Kunst, sondern die Ehe. Viele ihrer Werke wurden deswegen unter dem Namen des berühmten Bruders veröffentlicht – und von Kritikern gelobt, ohne zu wissen, dass sie in Wahrheit von einer Frau stammten.
Erst in den letzten Jahrzehnten wurden Fannys Kompositionen wiederentdeckt. Ihr Klavierzyklus "Das Jahr" und auch ihre weiteren Werke sind voller tiefem Ausdruck und technischer Brillanz – und stehen den Werken ihres Bruders in nichts nach.
Clara Schumann wird oft nur als Ehefrau des berühmten Komponisten Robert Schumann wahrgenommen. Doch sie war weit mehr als das: eine gefeierte Pianistin, eine Lehrerin, eine Komponistin – und eine Frau, die trotz enormer gesellschaftlicher Hürden ihren eigenen Weg ging.Sie komponierte Klavierwerke, Orchesterstücke und Lieder, doch ihre Werke wurden selten gewürdigt. Ihre Rolle als Mutter von acht Kindern und als Hauptverdienerin der Familie ließ ihr wenig Zeit für eigene kompositorische Ambitionen. Zudem glaubte selbst ihr Ehemann nicht an das Komponieren als weibliche Domäne.
Trotzdem schrieb Clara tiefgehende, ausdrucksstarke Musik, die heute – völlig zu Recht - wiederentdeckt wird. Besonders ihre "Romanzen für Klavier und Violine" sind berührende Meisterwerke, die ihre emotionale Tiefe und musikalische Virtuosität zeigen. Nicht umsonst wurde ihr Konterfei auf dem 100 DM-Schein verewigt.
Emilie Mayer war eine der wenigen Frauen ihrer Zeit, die sich nicht mit gesellschaftlichen Einschränkungen zufriedengab. Sie komponierte acht Sinfonien, zahlreiche Kammermusikwerke und Klavierstücke – und wurde zu Lebzeiten durchaus anerkannt.
Doch nach ihrem Tod wurde ihr Name aus der Musikgeschichte gelöscht. Während die Werke ihrer männlichen Zeitgenossen weitergespielt wurden, verschwanden ihre Partituren in Archiven.
Erst in den letzten Jahren erlebt sie eine Renaissance. Ihre Sinfonien, die oft mit denen Beethovens verglichen werden, zeigen eine enorme melodische Tiefe und musikalische Innovationskraft. Sie beweisen: Emilie Mayer war eine der bedeutendsten Komponistinnen des 19. Jahrhunderts – und es ist höchste Zeit, dass sie wieder gespielt wird.
Louise Farrenc war eine der wenigen Frauen, die es schafften, in der männlich dominierten Musikwelt des 19. Jahrhunderts eine offizielle Position zu ergattern: Sie wurde Professorin für Klavier am Pariser Konservatorium. Doch ihre Bezahlung war – wenig überraschend – deutlich geringer als die ihrer männlichen Kollegen.
Sie akzeptierte das nicht. Jahrelang kämpfte sie für gleiche Bezahlung – und gewann. Sie wurde als erste Frau in der Geschichte des Konservatoriums gleichgestellt.
Ihre Kompositionen, darunter drei Sinfonien und brillante Klavierwerke, beweisen ihr außergewöhnliches Talent. Dennoch wurden sie nach ihrem Tod kaum noch gespielt.
Maria Theresia von Paradis war eine herausragende Komponistin und Pianistin, die trotz ihrer Erblindung eine erfolgreiche Karriere verfolgte. Schon als Kind zeigte sie außergewöhnliche musikalische Begabung und wurde von berühmten Lehrern wie Antonio Salieri unterrichtet. Sie wurde als "Wunderkind" gefeiert, trat in den wichtigsten Salons Wiens auf und reiste als Konzertpianistin durch Europa.
Neben ihrer beeindruckenden Karriere als Pianistin komponierte sie Opern, Klavierkonzerte und Kammermusik. Leider sind viele ihrer Werke verloren gegangen – ein trauriges Schicksal, das sie mit vielen Komponistinnen teilt. Doch Paradis war mehr als eine Musikerin: Sie setzte sich für die Förderung blinder Menschen in der Musik ein und entwickelte gemeinsam mit dem Pädagogen Johann Wilhelm Klein eine frühe Form der Blindennotation.
Obwohl ihre Musik heute nur selten gespielt wird, erinnert ihre Lebensgeschichte daran, dass Talent und Entschlossenheit alle äußeren Einschränkungen überwinden können. Sie war eine Wegbereiterin für Künstlerinnen mit körperlichen Einschränkungen und zeigte, dass Musik keine physischen Grenzen kennt.
Amy Beach war eine Pionierin: Als erste Frau in den USA komponierte sie eine Sinfonie, die 1896 unter großem Beifall uraufgeführt wurde. Doch trotz dieses Erfolgs wurde sie nie in die Riege der großen Komponisten aufgenommen – während Werke ihrer männlichen Zeitgenossen wie Brahms oder Mahler regelmäßig gespielt wurden, verschwand ihre Musik aus dem Repertoire.
Amy Beach wuchs in einem Haushalt auf, in dem sie früh eine herausragende musikalische Ausbildung erhielt. Sie war ein Wunderkind, das bereits mit vier Jahren komplexe Stücke am Klavier spielte. Doch anstatt ein Musikstudium aufzunehmen, wie es für männliche Talente üblich war, heiratete sie auf Wunsch ihrer Familie jung und wurde gesellschaftlich in die Rolle der Ehefrau gedrängt.
Trotzdem ließ sie sich nicht davon abhalten zu komponieren. Ihre "Gaelic Symphony" ist ein monumentales Werk, das sich mit den besten Orchesterkompositionen ihrer Zeit messen kann. Auch ihre Lieder und Klavierstücke zeugen von emotionaler Tiefe und technischer Raffinesse.In den letzten Jahren wird ihre Musik wiederentdeckt. Immer mehr Orchester setzen ihre Sinfonie auf das Programm, und ihr Name taucht häufiger in Diskussionen über die großen Komponistinnen der Musikgeschichte auf.
Diese Frauen wurden nicht vergessen, weil ihre Musik nicht gut genug war – sondern weil sie Frauen waren. Die patriarchale Musikwelt hat ihre Werke systematisch vor unseren Ohren verborgen, ihre Karrieren verhindert und sie auf die Rolle der Ehefrau oder Muse reduziert.
Doch das bedeutet nicht, dass es zu spät ist, ihr Erbe wieder aufleben zu lassen. Wir können ihre Musik hören, ihre Werke aufführen, ihre Namen nennen.
Zum Weltfrauentag sollten wir nicht nur über diese vergessenen Meisterinnen sprechen – sondern aktiv dazu beitragen, dass sie in den Konzertsälen der Welt wieder ihren Platz finden. Denn sie waren nicht weniger talentiert als ihre berühmten männlichen Kollegen. Sie hatten nur nicht die gleichen Chancen.
Es liegt an uns, das zu ändern.