Er ist der Megastar der Klassik. In unserem exklusiven Interview gibt Andrea Bocelli seltene Einblicke in seine Welt: Von Fledermäusen als Konzertbesucher bis hin zu emotionalen Momenten mit seinem Sohn Matteo auf der Bühne. Er verrät, dass auch für einen Superstar Lampenfieber dazugehört und wie die unerwartete Magie seiner Musik Menschen berührt.
Andrea Bocelli – ein Name, der weit über die Welt der Klassik hinausstrahlt. Der blinde Tenor aus der Toskana feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bühnenjubiläum. Er hat sich in den letzten drei Jahrzehnten als einer der größten Stars der Musikwelt etabliert und Millionen von Herzen mit seiner unverwechselbaren Stimme berührt. Passend dazu erscheint auch sein neues Album „Duets“, eine Sammlung zahlreicher Neueinspielungen seiner größten Hits, gemeinsam interpretiert mit berühmten Wegbegleitern wie Ed Sheeran, Sarah Brightman, Hans Zimmer oder Lang Lang.
Was treibt diesen Mann an? Wie denkt ein Superstar der Klassik über seine Karriere, seine berühmten Duettpartner und die Magie seiner Musik? Im exklusiven Interview mit Klassik Radio spricht Bocelli über emotionale Höhepunkte, Lampenfieber und überraschenden Momente seiner Karriere, wie Fledermäuse als Zuschauer.
Klassik Radio: Auf Ihrem Album sind 32 Duette mit anderen Stars - sind Sie mit einigen ihrer Duett-Partner befreundet?
Andrea Bocelli: Ich habe mit all meinen Duettpartnern ein gutes Verhältnis, manche, z.B. Zucchero, treffe ich auch privat manchmal und zwei der Duette sind mit meinen Kindern Virginia und Matteo, zu Ihnen habe ich natürlich eine besonders enge Bindung. Aber insgesamt verstehe ich mich mit allen meinen Kolleginnen und Kollegen sehr gut.
KR: Ihr Duett von „Time to say goodbye“ mit Sarah Brightman ist eine Legende. Was ist es für ein Gefühl gewesen, es mit Ihrem Sohn Matteo zu singen?
AB: „Time to say goodbye“ mit Matteo zu singen, war lustig und etwas seltsam. Denn ich habe ihn diesen Song noch nie singen gehört, obwohl er ihn natürlich kannte. Und als wir zusammen gesungen haben, war das ungewohnt, aber eine sehr schöne Erfahrung.
KR: Sie sind ein Superstar der populären Klassik. Was macht die Magie von Andrea Bocelli aus?
AB: Ich glaube, diese Frage kann nur das Publikum beantworten. Denn es sind nur sie, die sagen können, warum sie sich für meine Musik entscheiden und zu meinen Konzerten gehen. Es ist schwierig für mich, es selbst zu erklären. Ich weiß nur, dass ich ein Geschenk vom Himmel bekommen habe und ich danke Gott jeden Tag dafür.
KR: Wenn Sie auf ihre 30-jährige Karriere zurückblicken – was waren die unvergesslichsten, emotionalsten Momente für Sie?
AB: Es gab so viele unvergessliche Momente, vor allem am Beginn meiner Karriere. Anfangs hatte ich jedesmal Angst, also großes Lampenfieber, wenn ich auf die Bühne musste, doch das hat sich mit der Zeit und wachsender Erfahrung gebessert. Es gab jedoch einige wichtige Momente, die Meilensteine meiner Karriere waren: wie z.B. das Konzert im Central Park, das erste Mal in der Metropolitan Opera oder im Madison Square Garden, um nur einige in New York zu nennen. Doch z.B. auch mein Konzert in den Pyramiden und das, was ich für den Papst geben durfte, waren emotionale, unvergessliche Highlights, die mir sehr viel bedeuten.
KR: Was war der lustigste oder seltsamste Moment Ihrer Karriere?
AB: Eines der seltsamsten Konzerte hatte ich in Mexiko in einer Höhle. Mein Publikum bestand ausschließlich aus unglaublich vielen Fledermäusen. Um ehrlich zu sein, hat mich ihre Gegenwart beunruhigt. Es war ein wirklich eigenartiges Konzert. Aber es ging alles gut und ich glaube, die Tiere haben meine Musik genossen.
KR: Was war das schönste Kompliment, was Ihnen ein Fan jemals gemacht hat?
AB: Das ist eine wirklich schwierige Frage. Ich habe so viele Komplimente und Zeichen von Zuneigung meines Publikums bekommen. Ich kann nur sagen, dass es mich z.B. immer ganz besonders berührt, wenn Menschen, die ein schweres Schicksal erlitten haben oder in einer schwierigen Situation sind, auf mich zukommen und mir sagen, meine Musik helfe ihnen, sich besser zu fühlen.
KR: Sie haben in den letzten 30 Jahren unglaublich viel erreicht – gibt es noch einen Wunsch, der offen geblieben ist?
AB: Die Realität hat tatsächlich meine Erwartungen übertroffen. So ist alles, was ich jetzt noch erreiche, sozusagen ein zusätzliches Geschenk. Dabei bin ich jetzt schon sehr glücklich.
KR: Sie haben sich schon als Kind in die Musik verliebt, sind aber dennoch zuerst Anwalt geworden. Wann haben Sie gewusst, dass Sie Karriere als Sänger machen möchten?
AB: Eigentlich wusste ich es schon immer. Seit ich klein war, wollten alle immer, dass ich für sie singe: in der Schule, in der Kirche, bei Festen mit Familie und Freunden. So ist mir schnell klar gewesen, dass das meine Bestimmung ist. Und dann passierte das, was passieren musste. Es war Schicksal.
KR: Wann ist Ihnen bewusst geworden, dass Sie berühmt sind?
AB: Es war vielleicht, als ich in Italien beim „Sanremo Festival“ gewonnen habe. Danach haben mich zum ersten Mal Menschen auf der Straße erkannt. Klassik Radio: Wenn Sie eine Nr. 1 der Klassik wählen müssten – welche wäre es und warum? Andrea Bocelli: Wenn ich wählen müsste, würde ich „Nessun Dorma“ nehmen – diese Arie zieht das Publikum wie keine andere in ihren Bann.
KR: Welche Ratschläge haben Sie für junge Sängerinnen und Sänger, die von einer Karriere träumen?
AB: Ich habe zwei ganz einfache Ratschläge für sie. Erstens: Lernen, lernen und noch mehr lernen. Ohne Pause. Denn Musik erfordert viel bzw. kontinuierliches Lernen. Zweitens: Ehrlichkeit mit sich selbst: man muss die Reaktionen des Publikums richtig einschätzen, wenn man singt. Wenn es sich wünscht, dass du singst, dann könnte die Musik tatsächlich deine Bestimmung sein. Wenn du derjenige bist, der darum bittet, singen zu dürfen, dann wird es eher schwer werden.
Das Interview führte Klassik-Radio Moderatorin Klara Jäger.