Filmmusik ist viel mehr als bloßes Beiwerk, sie ist der geheime Erzähler, der unsere Emotionen lenkt - oft ohne, dass wir es merken. Forschungen zeigen, wie gezielt eingesetzte Musik uns schaudern, lachen und weinen lässt und jede Filmszene lebendig macht. Warum das so ist? Das erfahren Sie hier.
Filmmusik, so scheint es, besitzt diese wundersame Fähigkeit, tief in uns eine Art "Gefühlsknopf" zu drücken, den wir selbst kaum erreichen könnten. Ein einfaches Streichen der Saiten, das Anschwellen eines Orchesters, und plötzlich – wir fühlen mit fiktiven Charakteren, spüren ihre Emotionen, als wären es die eigenen. Wir sind gerührt, ängsltich oder wütend. Ein Verdanken dieser Erfahrung haben wir dabei nicht zuletzt einem speziellen Konzept: Annabel J. Cohens "Congruence-Associationist Model."
Cohen selbst, eine Pionierin auf dem Gebiet, schrieb in einem Artikel im Psychology of Music, dass Filmmusik keineswegs nur ein Anhängsel der Handlung sei – sie ist oft der unsichtbare Katalysator für das, was wir im Film fühlen. Nach ihrer Auffassung ist die Musik, so banal es klingen mag, der geheime Erzähler. Sie gibt Töne und Farben hinzu, die wir selbst kaum bewusst wahrnehmen, und erzeugt Emotionen, die durch die Bilder allein nicht denkbar wären. Das "Congruence-Associationist Model" beschreibt diese Effekte auf erstaunlich präzise Weise: Musik und Bild vereinen sich so, dass das eine vom anderen quasi aufsaugt, was ihm fehlt, und beide kreieren gemeinsam eine vollendete emotionale Erfahrung (Quelle: Cohen, Annabel J. “Music as a source of emotion in film”).
Ein simples Beispiel: Der Held steht vor einem Abgrund, in Gedanken verloren. Stille. Doch dann beginnt das Horn zu dröhnen, und eine leise, wummernde Trommel setzt ein. In diesem Moment fällt die Entscheidung: Wir sind keine distanzierten Beobachter mehr. Die Musik zieht uns hinein in das Innere der Szene, bis wir das den Schlag der Trommel als eigenes Herzklopfen empfinden.
Warum nun funktioniert das alles so perfekt? Das Congruence-Associationist Model besagt, dass Musik und Bild eine Art heimliches Einvernehmen miteinander schließen. Es ist, als würden sie sich gegenseitig zulächeln und ein stilles Abkommen treffen, das für uns, die Zuschauer, das volle emotionale Paket liefert. Musik ist hier nicht nur Beiwerk, sondern Mitspieler. Sie gibt uns die Hinweise, die der Film ohne Worte hinterlassen will, und lenkt so unseren emotionalen Kompass.
Doch was passiert, wenn die Musik plötzlich nicht das tut, was das Bild von uns erwartet? Dann, sagt Cohen, kommt das Überraschungsmoment ins Spiel. Unsere Gefühle stolpern – wortwörtlich, weil der Film unser Vertrauen in etablierte Erzählweisen nutzt, um uns zu überrumpeln. Wenn die Musik lauter wird, dann erwarten wir ein Unheil; wenn sie unerklärlich heiter ist, während der Held in Not gerät, entsteht ein faszinierender Widerspruch – ein Trick, den Cohen analysierte und erklärte. Es ist fast, als ob die Musik plötzlich eine andere, geheime Geschichte erzählen würde, die wir intuitiv zu entschlüsseln versuchen.
Schlussendlich lehrt uns Cohens Theorie, dass Filmmusik weit mehr als Hintergrundrauschen ist. Sie ist die wohl wichtigste Stimme im Raum, die uns zuweilen zuflüstert und dann wieder anschreit, die die Atmosphäre trägt und uns – oft unbemerkt – durch das Dickicht der Gefühle navigiert.