Gemeinsam mit ihren Angehörigen singen beim Chor Möllner Goldkehlen Menschen mit Demenz, um sich wieder zu erinnern.
Singen und Musik haben etwas Heilsames an sich. Musik nimmt nicht nur Einfluss auf unsere Stimmung und mentale Gesundheit, sondern auch auf unsere körperliche. Besonders Menschen, die an Demenz oder Alzheimer erkrankt sind, profitieren von Musik und besonders vom Singen. Das ist auch die Grundidee der Möllner Goldkehlen, einem Chorprojekt der Gemeinschaft Pflegeberatung im Kreis Herzogtum Lauenburg e.V. und der Koordinierungsstelle Demenz. „Mitmachen kann jeder, der Spaß am gemeinschaftlichen Singen hat. Zu den Goldkehlen gehören Menschen mit Demenz, ihre Angehörige, Menschen mit anderen Erkrankungen, Menschen, die viel allein sind und es haben sich Freiwillige gefunden, die uns bei der Begleitung von unterstützungsbedürftigen Sängerinnen und Sängern helfen und auch selbst gerne singen“, erzählt Barbara Hergert von der Koordinierungsstelle Demenz im Gespräch mit Klassik Radio.
Von links nach rechts: Barbara Hergert (Koordinierungsstelle Demenz), Andrea Battige (Chorleiterin), Peter Seibert (Leiter Kreismusikschule Herzogtum Lauenburg)
In einer Gemeinschaft, verbunden mit Musik, soll vor allem das Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der Demenzkranken gestärkt werden. Gleichzeitig sollen aber auch die Angehörigen unterstützt werden: „Das erste Ziel ist der Spaß und die Zufriedenheit des Chors durch das gemeinsame Erleben. Angehörige bemerken, dass das demenzkranke Familienmitglied nach einer Chorprobe viel ruhiger und ausgeglichener ist. Außerdem hoffen wir, da der Chor offen für alle ist, dass damit Vorurteile gegenüber Menschen mit Demenz abgebaut werden.“
Schon häufig konnte Barbara Hergert miterleben, welchen beeindruckenden Einfluss der Gesang auf die betroffenen Personen haben. „Da war ein älteres Ehepaar und der Mann war offensichtlich betroffen. Er konnte sich kaum artikulieren. Das änderte sich, sobald die ersten Takte gesungen wurden. Der Mann wurde ruhig und er sang die Lieder mit und konnte den Text fast vollständig. Er konnte sich singend ausdrücken“, erzählt sie von einer Probe im vergangenen Mai.
Weil sie der Seele guttut. Weil sie Erinnerungen an Gefühle der Kindheit hervorruft, die mit Geborgenheit und Sorglosigkeit zu tun haben. Weil das Singen bekannter Lieder Menschen mit Demenz leichtfällt, wodurch ihnen das Gefühl von Kompetenz und Selbstwirksamkeit übermittelt wird.
Barbara Hergert
Dass Gesang und Musik einen positiven Effekt auf Menschen mit Demenz haben, konnte bereits in der Vergangenheit in verschiedenen Studien nachgewiesen werden. Besonders die damit im Gehirn ausgeschütteten Botenstoffe wie Dopamin spielen dabei eine große Rolle, aber auch die sozialen, belebenden Kontakte, die beim gemeinsamen Musizieren entstehen, haben eine belebende Wirkung. „Der Mensch, der 10 Minuten nach dem Essen nicht mehr weiß, was er gegessen hat, betritt beim Singen ein sicheres Erinnerungsgebiet. Was in der Kindheit gelernt und geübt wurde, ist tief im Langzeitgedächtnis gespeichert und wird mit der Melodie und den Emotionen abgerufen.“