Herkömmliche Klaviere sind für kleinere Hände häufig zu groß. Die Hochschule für Musik in Nürnberg will etwas dagegen tun.
Die Klaviatur eines regulären Flügels ist für viele Pianistinnen und Pianisten zu groß. Betroffen sind alle Menschen mit kleineren Händen und dazu gehören mit 80 % vor allem sehr viele Frauen. Aber auch 25 % der Männer haben kleine Hände.
Prof. Ulrich Hench der Hochschule für Musik in Nürnberg findet, „dass individuelle Handeigenschaften keine Rolle spielen sollten, wenn es darum geht, sich auf dem Klavier künstlerisch zu entfalten. Wir wollen gemeinsam auf das bestehende Problem aufmerksam machen, darüber informieren, dass es verkleinerte Tastaturen gibt und zu deren Verbreitung auf allen Ebenen des Musiklebens beitragen.“
„Das 19. Jahrhundert kann man auch als Klavierjahrhundert ansehen. Es gab immer mehr Virtuosen, immer mehr Reisetätigkeit und damit auch den Bedarf, uniformer zu werden. Es wurde beispielsweise die Anzahl der Pedale von sechs auf drei reduziert und die Anzahl der Tasten zunächst auf 85 und dann auf 88 vergrößert. All das war dem Erfolg geschuldet, dass die großen Konzertsäle etwa gleich ausgestattet waren", erläutert Udo Schmidt-Steingraeber, der Leiter der gleichnamigen Klaviermanufaktur in Bayreuth. Was sich damals als äußerst praktisch bewährte, steht heute zunehmend in der Kritik.
„Viele Pianistinnen und Pianisten können nicht alles, was in den Notentexten steht, greifen. Versuchen sie es trotzdem, gelingt es meist nur unter großen Anstrengungen und auch nicht ohne Kompromisse oder gar Einbußen in der pianistischen Klanggestaltung. Nicht selten kommt es gerade am Klavier zu solchen Überlastungssyndromen, wie Gelenkschmerzen oder Sehnenscheidenentzündungen“, erklärt Prof. Ulrich Hench. Das berühmteste Beispiel für eine Verletzung der Hand ist Robert Schumann, der sich sein Leben lang über seine kleinen Hände ärgerte. Dieser baute sich sogar eine Maschine, die einem Foltergerät ähnelte und spreizte so seine Hände, welche er damit auch demolierte.
„Vorne ist alles anders und nach der Klappe ist alles gleich.“ So beschreibt Klavierbauer Udo Schmidt-Steingraeber den selbstumgebauten Flügel mit der sogenannten Sirius 6.0 inch-Klaviatur, welcher an der Hochschule für Musik in Nürnberg zu finden ist. Die Oktaven sind hier im Vergleich zur Norm etwa eine halbe Taste schmaler. Mit diesem neuen Flügel leistet die Hochschule Nürnberg einen wesentlichen Beitrag zur Chancengleichheit und Gesundheit vieler Pianistinnen und Pianisten.
Wo man eine solche Sonderanfertigung preislich einordnen kann, ist schwierig zu sagen. Nach der Einschätzung von Udo Schmidt-Steingraeber kostet so ein Modell zwischen 16.000 und 17.000 Euro mehr als ein Regulärer. Dieser Preis würde laut ihm aber dramatisch sinken, wenn man bereits kleine Serien produzieren würde. Sie wollen auch einmal einen Flügel mit verkleinerter Tastatur spielen, wollen aber nicht so viel Geld ausgeben? Dann gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen wird ein Musterflügel zum Ausprobieren im Steingraeber Haus in Bayreuth voraussichtlich ab Juli für alle Neugierigen zur Verfügung stehen. Oder Sie besuchen die Hochschule für Musik in Nürnberg. Dort sind alle Gäste herzlich willkommen, den besonderen Flügel auszutesten und ihre Erfahrungen zu teilen.
Wohin die Reise noch gehen kann, verrät uns Udo Schmidt-Steingraeber. „Ich glaube, dass wir jetzt in Jahrzehnte der neuen Offenheit gegenüber der Klaviertechnik eintreten werden und dass auch andere Hersteller immer mehr auf die Wünsche der Pianistinnen und Pianisten hören werden. Das betrifft natürlich auch die Privatpersonen, die dann zu günstigeren Preisen ihr ganz individuell ausgewähltes und den ergonomischen Körperbedingungen angepasstes Instrument kaufen können.“