Kaum ein Komponist hat die Welt des Kinos so geprägt wie John Williams. Von "Star Wars" bis "Schindlers Liste" – seine Musik verleiht Filmen eine unverwechselbare Tiefe und bleibt unvergessen. Dies ist die Geschichte eines Mannes, der mit Noten Emotionen erschafft und dessen Klänge Generationen von Kinofans begleiten.
John Williams' Leben ist von Anfang an von Musik geprägt. Er wächst in den 1930er Jahren im Stadtbezirk Queens, New York, auf, und die Musik der Stunde ist der Jazz. Auch sein Vater, ein talentierter Schlagzeuger, spielt im Raymond Scott Quintett, einer Jazz-Kombo, die zu einiger Bekanntheit gelangt – nicht zuletzt, weil viele der von Scott komponierten Stücke später die beliebten Bugs-Bunny-Cartoons untermalen. Doch der junge John interessiert sich nicht für Schlagzeugspielen, es ist das Klavier, das ihn fasziniert. So kommt es, dass er mit acht Jahren seine ersten Unterrichtsstunden am Tasteninstrument bekommt – der Auftakt zu einer beispiellosen musikalischen Karriere.
Schon früh zeigt sich, dass er nicht nur Talent, sondern auch einen unermüdlichen Antrieb besitzt. Und während in seinem Elternhaus die Talente des Jazz ein- und ausgehen, zieht es ihn in eine andere Richtung – in die Welt der großen Orchesterklänge. Er beginnt eine Ausbildung an der renommierten Juilliard School und kommt schnell in Kontakt mit den großen klassischen Meistern. Ein Komponist muss es ihm dabei besonders angetan haben: Das von Richard Wagner etablierte Leitmotiv wird später zum Markenzeichen von Williams. Zunächst konzentriert sich der junge Student aber noch auf seine Fähigkeiten am Klavier. Seine Lehrerin, Rosina Lhévinne, erkennt jedoch rasch, dass Williams' Talent im Komponieren seine pianistischen Fertigkeiten bei Weitem übertrifft. Auf ihren Rat hin entscheidet er, sich ganz auf das Schreiben von Musikstücken zu konzentrieren.
In den späten 1950er Jahren zieht es John Williams nach Los Angeles, wo er als Pianist und Arrangeur in diversen Filmstudios arbeitet. Dabei hat er das große Glück, schon früh in seiner Karriere für bedeutende Komponisten wie Jerry Goldsmith, Elmer Bernstein und Henry Mancini tätig zu sein. Die exklusiven Einblicke in die Welt der Filmmusik, die er dadurch gewinnt, öffnen ihm neue Türen – und Williams ergreift seine Chance.
Die folgenden Jahre sind eine Zeit des Experimentierens und Lernens. Williams findet sich bald in einem Umfeld wieder, das ihn enorm fordert, vor allem aber inspiriert. Sein Talent bleibt nicht unbemerkt. Schnell steigen seine Ambitionen, und die ersten eigenen Kompositionen folgen – unter anderem für "Die Höllenfahrt der Poseidon", "Wie klaut man eine Million?" oder "Die Cowboys". Doch es ist die Begegnung mit einem jungen, aufstrebenden Regisseur, die seine Karriere für immer verändern sollte: Steven Spielberg.
Spielberg hatte den John-Wayne-Film "Die Cowboys" 1972 im Kino gesehen und war beeindruckt vom Soundtrack. Auf der Suche nach einem Komponisten für seine erste große Regiearbeit, "Sugarland Express", wandte er sich an den Mann, dessen Musik ihm so im Gedächtnis geblieben war. So trafen die beiden zukünftigen Legenden das erste Mal aufeinander. "Ich lernte einen etwa siebzehnjährigen Jungen kennen, einen sehr netten Jungen, der mehr über Filmmusik wusste als ich," erinnert sich der Komponist später an ihr erstes gemeinsames Mittagessen. Williams, damals bereits kein Unbekannter in Hollywood mehr – seine Bearbeitung des Musicals "Anatevka" hatte ihm den ersten Oscar eingebracht – erkannte das Potenzial in dem jungen Regisseur und wagte das Risiko.
Nur ein Jahr später folgte der Wendepunkt in beider Karrieren. Es brauchte nur zwei Töne und vier Minuten Blick auf das titelgebende "Monster", um Generationen von Kinofans für immer zu verstören – "Der weiße Hai" wurde zum Inbegriff des Creature-Horrors und sorgt bis heute für ein kreischendes Publikum. John Williams' Soundtrack war maßgeblich verantwortlich für die fulminante Wirkung des Films. Zwei Töne, die sich immer weiter zu einem nervenzerreißenden Crescendo steigern, um schließlich in einem Ausbruch der Gewalt auf der Leinwand zu kulminieren.
Von da an waren Spielberg und Williams unzertrennlich. Spielberg merkte schnell, dass Williams nicht nur ein Komponist, sondern ein Erzähler ist – einer, der mit Musik Emotionen formt, Figuren Tiefe verleiht und Geschichten mit einer Intensität untermalt, die über die Bilder hinauswirkt. Ihre fruchtbare Zusammenarbeit bescherte uns unvergessliche Meisterwerke wie "Indiana Jones", "E.T. – Der Außerirdische", "Jurassic Park" oder "Der Soldat James Ryan". Auch sein wohl persönlichstes Werk, die Filmmusik zu "Schindlers Liste", entstand aus dieser Zusammenarbeit. "Du benötigst einen besseren Komponisten für diesen Film als mich," soll Williams damals zu Spielberg gesagt haben. "Ich weiß," antwortete dieser, "aber die sind alle tot." Bis heute rühren die herzzerreißenden Geigenklänge von Itzhak Perlman das Publikum zu Tränen und machen Williams' Komposition unsterblich.
Und auch John Williams erfährt Schmerz: Der frühe Tod seiner Frau Barbara im Jahr 1974 erschüttert den Komponisten zutiefst. Seine Trauer verarbeitet er auf die Weise, die ihm am nächsten liegt: Er komponiert ein Violinkonzert, das seine Gefühle in Noten übersetzt. Es ist ein Werk, das die tiefe Melancholie eines Mannes offenbart, der in der Musik Trost sucht und darin eine Sprache findet, die Worte nicht ausdrücken können.
Seine Karriere ist derweil auf dem Höhepunkt. 1977 schafft Williams mit der Musik zu George Lucas Weltraumoper „Krieg der Sterne“ den wohl ikonischsten Soundtrack aller Zeiten. Und hier findet sich auch das Wagnersche Leitmotiv in Perfektion: Williams schreibt für jeden der Protagonisten ein eigenes Thema und verhilft damit nicht nur seinen Stücken, sondern auch den Helden (und dem ikonisch röchelnden Bösewicht) zu schier übermenschlicher Präsenz. Sie alle werden für immer den Platz im Herzen aller großen und kleinen Kinobesucher sicher haben – und Williams Soundtrack trägt einen großen Verdienst daran. Dass der Komponist selbst „Star Wars“ nie komplett angesehen hat, mag da verwundern. Williams selbst sieht es pragmatisch: Seine Musik hat ihr Eigenleben, und wenn ein Projekt abgeschlossen ist, fühlt er keinen Drang mehr, sich mit dem fertigen Werk zu befassen. Die Magie liegt für ihn in der Schöpfung selbst.
Vielleicht ist es auch genau diese Ambivalenz, die seine Kompositionen so besonders macht. Einerseits hat er das Kino maßgeblich mit seiner Musik beeinflusst, andererseits scheint er sich selbst gar nicht so für die Filme zu interessieren. Er scheint mit seinen Werken immer am Puls der Zeit und begeistert jede kommende Kinogeneration aufs Neue, doch bleibt er anachronistisch: Setzen andere Komponisten auf digitale Hilfsmittel, schreibt er seine Partituren weiterhin mit Bleistift und Papier. Und während eine musikalische Legende nach der anderen durch seine Hand entsteht, bleibt er dennoch bescheiden. In Interviews vergleicht sich Williams oft mit Mozart und gibt zu, dass er sich selbst als einen Handwerker betrachtet, der hart arbeiten muss, um große Werke zu schaffen. Perfektion ist sein Maßstab, und oft ist er selbst unzufrieden mit dem, was er erschaffen hat.
Heute, mit über 90 Jahren, zieht sich Williams allmählich aus der Filmmusik zurück. "Sechs Monate Arbeit an einem einzigen Film – das ist in meinem Alter eine lange Zeit", gibt er zu. Doch das Komponieren aufgeben? Niemals. Nun widmet er sich verstärkt Konzertwerken, schreibt für Orchester, für Solisten – für sich selbst. Die Musik bleibt sein Lebenselixier, seine Sprache und sein Vermächtnis.
Die schönste Filmmusik hören Sie auf unserem Klassik Radio Select-Sender "Filmmusik Klassiker".