"Je schöner der Garten, desto besser die Musik" – Interview mit Oscar-Preisträger Howard Shore

Interview"Je schöner der Garten, desto besser die Musik" – Interview mit Oscar-Preisträger Howard Shore

Howard Shore ist einer der einflussreichsten Filmkomponisten unserer Zeit. Mit seinen epischen Soundtracks spielte er sich nicht nur in die Herzen aller "Herr der Ringe"-Fans, auch Opern und avantgardistische Filmmusik gehören zu seinem Repertoire. Im Interview mit Klassik Radio spricht er über sein neues Album, die Magie des Komponierens und seine ganz persönliche Verbindung zur Natur.

"Je schöner der Garten, desto besser die Musik" – Interview mit Oscar-Preisträger Howard ShoreFoto: Sam Santos, Canadian Film Centre, CC BY 2.0

Howard Shore hat mit seinen Kompositionen Filmgeschichte geschrieben. Besonders mit der Musik zu Peter Jacksons "Herr der Ringe"-Trilogie schuf er eine Musik, die Generationen von Fans begeistert. Doch sein Schaffen reicht weit über Mittelerde hinaus: Von Opern über klassische Orchesterwerke bis hin zu Filmmusiken für David Cronenberg, Tim Burton oder David Fincher – Shore ist ein Meister der musikalischen Erzählkunst. Im Gespräch mit Moderatorin Evita Helling gibt er Einblicke in seinen kreativen Prozess, seine Inspirationsquellen und seine Pläne für die Zukunft.

Klassik Radio: Was ist an Ihrem neuen Album "Anthology – The Paris Concerts" so besonders?

Howard Shore: Die Konzerte erstreckten sich über ein ganzes Wochenende, und die Musiker aus Paris sind einfach fantastisch! Wir hatten viel Zeit für die Proben. Eigentlich wollten wir das Konzert schon vor der Pandemie veranstalten, doch die Verzögerung gab uns die Gelegenheit, uns noch intensiver mit der Musik zu befassen. Das hat das Ganze nur noch besonderer gemacht. Die Aufnahmen fanden im Radio Tower in Paris statt – mit hervorragender Technik. Die Deutsche Grammophon hat dann beim Editieren und Mischen alles gegeben, um die bestmöglichen Aufnahmen zu erstellen.

Klassik Radio: Das Album wird vom Orchestre Philharmonique de Radio France gespielt. Wie würden Sie dieses Orchester beschreiben?

Howard Shore: Dieses Orchester bedeutet mir sehr viel. Sie haben auch die Uraufführung meiner Oper "Die Fliege" gespielt, sodass wir eine langjährige und enge Verbindung haben.

Klassik Radio: Auf dem Album finden sich Ihre bekanntesten Stücke – von "Die Fliege" bis "Herr der Ringe". Besonders sticht das Hauptthema der Hobbits in "A Long-Expected Party" hervor. Hatten Sie bei dieser ikonischen Flötenmelodie einen besonderen Aha-Moment?

Howard Shore: Ja, das war gleich zu Beginn des Kompositionsprozesses. Peter Jackson rief mich an und lud mich nach Neuseeland ein. Als ich dort sah, was sie erschufen, war das eine enorme Inspiration! Zurück in New York schrieb ich dann direkt das Hobbit- und das Fellowship-Thema. Die Musik kam mir wie von selbst in den Sinn.

Klassik Radio: Wann haben Sie das erste Mal "Herr der Ringe" gelesen?

Howard Shore: In den 60er Jahren, als ich als Musiker mit einer Rockband unterwegs war. Ich mochte die Bücher sehr, und als Peter Jackson mich damals anrief, hatte ich noch keine Ahnung, dass es um "Herr der Ringe" gehen würde! Als ich es dann erfuhr, wollte ich unbedingt Teil dieses Projekts sein. Zur Vorbereitung habe ich die Bücher erneut gelesen, wie ich es immer mache, wenn ich an einer Filmmusik arbeite. Während des Komponierens hatte ich sie ständig griffbereit.

Klassik Radio: Ein großer Teil von Tolkiens Welt sind die Sprachen, die Sie auch in Ihrer Musik verwendet haben. Einige Stücke enthalten elbischen Gesang. Mussten Sie dafür Elbisch lernen?

Howard Shore: Leider spreche ich kein Elbisch, aber wir hatten ausgezeichnete Übersetzer. Eine irische Linguistin half den Sängern mit der korrekten Aussprache, und David Sallow übersetzte die Texte ins Elbische. Er war ein beeindruckender Mann und beherrschte alle Sprachen Mittelerdes!

Klassik Radio: Wenn Sie die Gelegenheit hätten, mit Tolkien einen Kaffee zu trinken, worüber würden Sie sprechen?

Howard Shore: Ich würde ihn nach der korrekten Aussprache seiner Sprachen fragen. Ich habe einmal ein Video gesehen, in dem er selbst Elbisch sprach – ganz nach seinem eigenen Verständnis. Zu erfahren, wie er sich die Aussprache wirklich vorgestellt hat, wäre faszinierend.

Klassik Radio: Haben Sie einen Lieblingscharakter aus "Herr der Ringe"?

Howard Shore: Oh, das ist schwer zu sagen. Ich mag sie wirklich alle! Aragorn ist ein großartiger Charakter, aber auch Frodo und Sam bedeuten mir viel.


Klassik Radio Live in Concert Banner mobile 2025Foto: Klassik Radio

Klassik Radio: Sie haben auch die Filmmusik zu "Die Fliege" komponiert, die sehr dramatisch ist und sich stark unterscheidet. Woher kam die Inspiration?

Howard Shore: Besonders inspiriert hat mich das Orchestergraben der Metropolitan Opera. Die Art, wie das Orchester in der Oper agiert und klingt, wollte ich in die Filmmusik übertragen.

Klassik Radio: Hat Sie auch die Oper als Kunstform beeinflusst?

Howard Shore: Nicht direkt, auch wenn ich Opern sehr liebe. Puccini und Verdi waren meine ersten großen Entdeckungen, später kam Wagner hinzu. Puccini bedeutet mir besonders viel, vielleicht weil ich damals noch sehr jung war. Seine Opern liebe ich über alles, und ich könnte keinen eindeutigen Favoriten nennen.

Klassik Radio: Haben Sie einen Lieblingskomponisten der klassischen Musik?

Howard Shore: Viele! Aber Chopin ist mir besonders wichtig. Ich habe sogar ein Klavierkonzert geschrieben, das von Chopin inspiriert war – es wurde von Lang Lang aufgeführt. Ein unglaubliches Erlebnis!

Klassik Radio: Wenn Sie einen Nachmittag mit einem Komponisten verbringen könnten, wer wäre das?

Howard Shore: Diesen Wunsch hatte ich bereits das Glück, mir zu erfüllen: Ich durfte den japanischen Komponisten Tōru Takemitsu treffen. Ich liebe seine Arbeit. Wenn ich noch einmal einen Nachmittag mit ihm verbringen könnte, würde ich ihn zum Golfspielen einladen.

Klassik Radio: Sie komponieren sehr viel – jeder Moment Ihrer Filmmusiken ist untermalt. Wie bleiben Sie dabei motiviert?

Howard Shore: Es gibt kein großes Geheimnis: Man muss einfach konstant bleiben. Ich schreibe jeden Tag Musik, ganz klassisch mit Stift und Papier. Andere Technologien kommen erst viel später ins Spiel.

Klassik Radio: Wenn Sie nicht komponieren würden, was würde Sie dann tun?

Howard Shore: Ich wäre Gärtner! Meine Frau und ich lieben die Natur. Wir haben ein Haus aus dem 19. Jahrhundert restauriert, und dazu gehört auch ein wunderschöner Garten. Mir ist aufgefallen: Je schöner der Garten wurde, desto besser wurde meine Musik. Natur und Musik sind auf besondere Weise miteinander verbunden.

Klassik Radio: Haben Sie einen Lieblingsort zum Komponieren? Ist es Ihr Garten?

Howard Shore: Auch, aber eigentlich kann ich überall schreiben. Ich brauche nur Stift, Papier und die Möglichkeit, Noten aufzuschreiben. Ob im Flugzeug, im Zug oder im Hotelzimmer – sobald ich komponiere, ist es egal, wo ich bin.

Klassik Radio: Wenn Sie die Wahl hätten: Ozean oder Berge?

Howard Shore: Definitiv das Meer! Das ist witzig, denn meine Frau und ich leben in den Bergen bei New York...

Klassik Radio: Was verbinden Sie mit dem Klassik Radio-Land?

Howard Shore: Natürlich die Alpen! Aber auch die reiche Kultur. Ich durfte viel reisen, und gerade dieser Teil Europas ist für mich sehr inspirierend – ebenso wie für Tolkien.

Klassik Radio: Anfang April geben Sie ein Konzert in München. Dürfen wir uns auf weitere Aufführungen in den kommenden Jahren freuen?

Howard Shore: Auf jeden Fall! Neben den Konzerten habe ich noch einiges geplant. Auf dem aktuellen Album ist nur ein Teil der Aufnahmen veröffentlicht worden – vielleicht folgt noch mehr. Und natürlich gibt es Pläne für meinen 80. Geburtstag in zwei Jahren!

Klassik Radio: Vielen Dank, Herr Shore, für das Interview.


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