"Ich will meine Generation für die Klassik begeistern" – Louis Philippson im Interview

Interview"Ich will meine Generation für die Klassik begeistern" – Louis Philippson im Interview

Mit nur sieben Jahren wurde Louis Philippson auf YouTube entdeckt – heute begeistert er Millionen mit seinem virtuosen Klavierspiel auf Social Media. Sein einzigartiger Stil verbindet klassische Musik mit modernen Einflüssen und macht ihn zu einer der spannendsten Stimmen der jungen Generation klassischer Musiker. Anlässlich seines Debütalbums Exposition sprach er mit Klassik Radio über seine Karriere, musikalische Vorbilder und seine Liebe zum Klavier.

"Ich will meine Generation für die Klassik begeistern" – Louis Philippson im InterviewFoto: Gregor Hohenberg/Sony

Louis Philippson, geboren 2004 in Mülheim an der Ruhr, wurde bereits im Alter von sieben Jahren entdeckt, als seine Eltern ein Video seines Auftritts bei "Jugend musiziert" auf YouTube hochluden. Ein Klavierprofessor wurde auf sein Talent aufmerksam, und mit acht Jahren wurde Louis Jungstudent an der Robert-Schumann-Hochschule für Musik in Düsseldorf. Seine Karriere nahm während der Pandemie Fahrt auf, als er begann, auf TikTok Videos seiner Klavierspiele zu teilen. Mit humorvollen Beiträgen und mitreißenden Interpretationen begeistert er mittlerweile über 750.000 Follower und hat sich als Pianist der Generation Z etabliert. Im August 2023 unterschrieb er einen Vertrag mit Sony Music und veröffentlichte seine erste Single, ein neues Piano-Arrangement des berühmten "Prelude" aus der ersten Cello-Suite von Johann Sebastian Bach.

Klassik Radio: Eigentlich sollte dein Debütalbum „Exposition“ am 14. Februar erscheinen, es wurde auf den 7. Februar vorverlegt. Gab es dafür einen Grund?

Louis Philippson: Keinen spezifischen. Für mich war es ganz einfach: „Je früher, desto besser.“ Ich habe sehr viel Energie in das Album gesteckt und freue mich darauf, es sogar früher präsentieren zu dürfen!

Klassik Radio: Deine Karriere fing an, als du gerade mal 7 Jahre alt warst. Du wurdest über YouTube entdeckt – ein Video, in dem du Klavier spielst. Wie ist das online gekommen?

Louis Philippson: Meine Eltern haben es hochgeladen – das war von "Jugend musiziert". Ich habe das erste Mal mitgemacht, den ersten Preis gewonnen, und meine Eltern waren unglaublich stolz. Das war in der Bank in meiner Heimat, und meine Eltern haben es eben hochgeladen. Durch dieses Video wurde ich von der Hochschule entdeckt und wurde Jungstudent, mit gerade mal 8. Es war sehr viel, aber unglaublich gut – neben Musiktheorie auch Gehörunterricht. Also haben wir direkt getestet, ob ich absolutes Gehör habe oder nicht. Zum Glück habe ich das Talent und wurde auch dementsprechend unglaublich gut ausgebildet.

Klassik Radio: Du hast doch neulich auch das erste Mal in der Heimat ein richtig großes Konzert gespielt. Wie war das für dich?

Louis Philippson: Verrückt! Das war in Oberhausen in der Rudolf-Weber-Arena, in Dortmund in der Westfalenhalle und in Köln in der Lanxess-Arena. Das war unglaublich! Es war ein komisches Gefühl, zu wissen, dass im Publikum Leute aus meiner Schule, Lehrer und Bekannte sitzen. Sogar ein Teil meiner Familie aus Thailand ist gekommen. Es war ein richtiges Erlebnis. Aufregend und richtig schön.

Klassik Radio: Das Album ist eine Mischung aus allen möglichen Genres, von Klassik bis zu Videospielmusik. Wie kam es zu der Auswahl?

Louis Philippson: Ich bin ein sehr intuitiver Mensch, also habe ich Stücke ausgewählt, die sich gut angefühlt haben. Ich bin meinem Label, Sony, dankbar, dass wir einen Weg gefunden haben, das widerzuspiegeln. Nicht nur ein langes Werk von Mozart, Beethoven oder anderen Komponisten, sondern ein Gesamtwerk von dem, was ich als Künstler sein möchte.

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Klassik Radio: Du hast verschiedene Variationen auf dem Album – auch eine vom 1. Klavierkonzert von Peter Tschaikowsky. Was bedeutet dir das Stück?

Louis Philippson: Es ist mein absolutes Lieblingsklavierkonzert. Ich habe es spielen gelernt, als ich 14 war, deshalb verbinde ich damit unglaublich viel. Ich habe es auch schon bei der "Night of the Proms" gespielt, also durfte ich damit unglaublich viel Bühnenerfahrung sammeln. Dieses Stück zieht sich einfach durch mein Leben. Es ist so vielseitig, so wunderschön, und deshalb musste es mit ins Album… aber eben mit einem kleinen Twist.

Klassik Radio: Gibt es einen Künstler, mit dem du gerne mal zusammenspielen würdest?

Louis Philippson: Es gibt unglaublich viele, aber was das Klavier angeht, muss ich natürlich Lang Lang sagen. Ein großes Vorbild von mir, und ich hatte sogar das Glück, ihn letztes Jahr zu treffen. Beim Opus Klassik. Da bin ich normal reingekommen, habe mich gesetzt und sehe auf einmal vor mir eine Dame, die ich kenne. Das war Lang Langs Mutter, die kannte ich noch aus Dokumentationen, die ich als Kind geschaut habe. Lang Langs Frau setzt sich dann noch dazu! Zum Glück gab es danach noch eine Party, auf der ich mit Lang Lang persönlich sprechen konnte. Ein absoluter Kindheitstraum von mir… das kann nur von einem gemeinsamen Konzert übertroffen werden. Ansonsten liebe ich Hans Zimmer. Natürlich in eine andere Richtung – Filmmusik. Hans Zimmer live zu erleben war auch tatsächlich mein einziges nicht-klassisches Konzert in meinem Leben. Es war großartig! Sehr inspirierend, und er hat mich sogar mal eingeladen auf ein Dinner. Da saßen wir in einer gemütlichen Runde… wirklich ein toller Künstler und eine große Inspiration.

Klassik Radio: Gibt es denn ein künstlerisches Vorbild für dich?

Louis Philippson: Ich habe einfach viele Menschen, die mich inspirieren. Aber ich habe niemanden, der jetzt so wirklich den gleichen Weg gegangen ist wie ich. Bis ich 16 war habe ich halt pure Klassik gemacht, und dann kam Social Media dazu. Ich kann mir kein richtiges Vorbild nehmen, weil ich eben meinen eigenen Weg gehen.

Klassik Radio: In der Pandemie hast du mit Social Media angefangen – Videos drehen, wie du Klavier spielst – ist es dir schwer gefallen das zu präsentieren?

Louis Philippson: Mittlerweile nicht mehr, aber früher war es erst mal komisch. Ich war vorher nie wirklich aktiv – war stolz auf meine 100 Instagram-Follower aber nach der Schulzeit habe ich TikTok für mich entdeckt. Das war dann schon in der Quarantäne, es war neu und ich hatte nichts Besseres zu tun. Deshalb war es auch nicht natürlich für mich, die ersten Male war es komisch, gerade zu wissen: Das werden fremde Leute sehen, dann noch nur mit der Kamera reden. Ich war aufgeregter als vor einem Livekonzert!

Zum Glück war das einfach eine Gewöhnungssache. In den letzten drei Jahren habe ich mich dran gewöhnt und es gehört zu meinem Alltag. Was mir damals aber geholfen hat: alle auf Instagram, TikTok und Co. zu blockieren, die ich privat kenne, weil dann ist der Druck weg, dass man drauf angesprochen wird.

Klassik Radio: Hattest du schon mal diesen Gedanken: „Ich mache das jetzt spezifisch, um junge Leute für Klassik zu begeistern“?

Louis Philippson: Das ist eher ein schöner Nebeneffekt. Mir war klar, dass ich auf TikTok meine Altersgruppe erreiche. Es war aber echt großartig zu sehen, wie gut das ankommt. Unsere Generation interessiert sich für Instrumentalmusik und das unterschätzt man schnell. Aber so richtig bewusst wurde mir das erst, nachdem ich das erste Mal erkannt wurde. Ich war mit meinen Eltern in Bayern im Urlaub und an einer Raststätte hat mich ein Junge erkannt, der war überglücklich!

Gerade seine Mutter, sie hat mit erzählt, dass ihr Sohn wegen mir mit dem Klavierspielen angefangen hat. Er geht jetzt zur Klavierschule und markiert mich immer noch unter seinen Videos, wo er zeigt, was er gelernt hat. Und genau diese Sachen inspirieren und motivieren mich immer weiterzumachen. Und das alle Beste: Es macht Spaß, genau wie dem Jungen und diese Freude zu teilen, das bewegt. Der Nebeneffekt dann auch noch für Klassik zu begeistern, das ist natürlich noch mal ein großer Plus Punkt.


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Klassik Radio: Wenn Du Klavier spielst, spielst Du sehr sanft und emotional – hast du eine Methode, wie du in diese Stimmung gelangst oder ist das ganz natürlich?

Louis Philippson: Erst mal vielen Dank – es freut mich sehr zu hören, dass das auch so ankommt, wie ich es fühle. Zu Anfang war das aber nicht unbedingt gut, weil in der Klassik ist es auch wichtig mal kühler zu spielen, auch mal auf emotionale Distanz… aber bei mir ist es eben natürlicher warm und sanft zu spielen.

Mittlerweile achte ich nicht mehr so drauf. Ich bin ein sensibler Mensch, gerade, wenn es um Musik geht. Und ich denke, gerade das war der Punkt, warum meine Lehrer so fest davon überzeugt waren, dass aus mir was wird. Weil ich eine emotionale Verbindung zum Klavier habe.

Klassik Radio: Du gibst in deinen Videos auch unglaublich viel klassisches Wissen mit – siehst du da eine Art Bildungsauftrag?

Louis Philippson: Also ich würde sagen, ich mache meine Videos für alle, eben nicht nur für Experten, weshalb ich eben einfache Sachen noch eben erkläre. Gerade für alle, die sich generell interessieren, die die Musik berührt.

Mir ist es einfach wichtig, dass die Leute mir folgen können – ich möchte Kontext geben und wenigstens die Basics erklären. Kein richtiger Bildungsauftrag – mehr ein „Mitnehmen“.

Klassik Radio: Mit Deinem Album gehst du auch das erste Mal auf Solo-Tour – worauf dürfen wir uns freuen?

Louis Philippson: Im April und im Mai habe ich meine allererste Tour und ich bin unglaublich dankbar – und kann es noch gar nicht fassen! Die Elbphilharmonie war zum Beispiel das erste komplett ausverkaufte Konzert – und das nach nur 2 Tagen. Mein 10-Jähriges ich könnte das gar nicht glauben!

Ich freue mich am allermeisten auf die Menschen – die kennen mich ja meist von Social Media, ganz persönlich, weshalb ich so auch auftreten möchte. Nur das Klavier und ich. Eine intime Atmosphäre und ich glauben, dass das schön wird. In dem Programm steck viel Planung und ich kann es gar nicht abwarten das zu teilen.

Ende des Jahres erwartet mich eine größere Tour - die wird dann ein wenig pompöser!



Klassik Radio: Bei deinen Konzerten trittst Du locker auf – es gibt keinen Dress-Code oder Ähnliches – gab es deshalb schon mal negatives Feedback?

Louis Philippson: Nein, gar nicht! Es ist sehr entspannt – wir sind alle nur Menschen und ein Dresscode ist einfach nicht nötig, denn wir sind für die Musik da. Klassik ist einfach Musik, Musik soll berühren, verbinden und niemanden ausschließen – egal, wie man zum Konzert kommt. Also von mir aus sollte man in Lederjacke und Ripped Jeans kommen – im weitesten Sinne ist alles angemessen.

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Klassik Radio: Auf deinem Album sind einige Variationen von bekannten Klassik-Stücken – passieren diese Variationen einfach oder planst du sie?

Louis Philippson: Das ist immer unterschiedlich. Wenn ich einfach auf TikTok spiele, dann spiele ich einfach, aber wenn ich es cool finde und die Idee hängen bleibt, dann muss ich schon mal planen. Gerade bei den Stücken für das Album musste geplant werden. Aber die Basisidee kommt meist spontan, wobei ich ganz ehrlich sagen muss: Ich bin ein wenig faul, was Noten schreiben angeht. Da schreibe ich meist nur die Ansätze auf, der Rest passiert. Ich spiele lieber, als dass ich schreibe. Ich möchte beinahe sagen, dass es mich hindert, die ganze Zeit herumzukritzeln! Ich möchte meiner Kreativität freien Lauf lassen können.

Klassik Radio: Gab es bei dir einen Moment, wo du wusstest, dass das Klavier dein Instrument ist?

Louis Philippson: Als ich 10 war – da war ich schon in der Hochschule, hatte aber noch tausend verschiedene Interessen und Hobbys. Musicals, Basketball… aber es wurde das Klavier, weil ich eine so besondere Beziehung zu dem Instrument aufgebaut habe. Und so Sachen wie Basketball haben Spaß gemacht, aber das Klavier hat mir mehr gegeben!

Klassik Radio: Hast Du einen liebsten Komponisten?

Louis Philippson: Also vom Spielen her definitiv Chopin, gerade seine Balladen, die machen Spaß. Gerade so wie ich spiele, sehr sensitiv, ist Chopin einfach natürlich. Wenn es um die Persönlichkeit geht – definitiv Mozart. Einfach weil er so ein unglaublich cooler Mensch war, ein wirklicher Popstar, ein Rockstar. Ich finde, das ist ja auch witzig. Man sagt immer, Klassik ist so versteift. Aber klassische Musik ist ja auch nur die Popmusik des früheren Jahrhunderts. Mozart saß da nicht streng herum und hat komponiert. Er war so ein unglaublich witziger und wilder Mensch und deswegen finde ich ihn super! Deshalb habe ich auch meinen Hund Amadeus genannt.

Klassik Radio: Und dein liebstes Stück der Filmmusik?

Louis Philippson: Ganz ehrlich, nicht. Also ich liebe sie alle. Im Moment höre ich aber tatsächlich viel Hans Zimmer, gerade aus Interstellar der "Cornfield Chase"… da werde ich auch immer wieder gebeten, den zu spielen… vielleicht kommt das ja bald noch, weil ich das Stück wirklich liebe. Ansonsten die Musik vom neuen Hunger Games Film, in dem Rachel Zegler mitgespielt hat.

Klassik Radio: Gibt es ein Orchester, mit dem du gerne mal zusammenarbeiten würdest?

Louis Philippson: Es gibt so viele gute, aber die Berliner Philharmoniker wären ein Traum für mich. Aber ich habe kein Lieblingsorchester. Ich finde, Orchester spielen unterschiedliche Stücke auf ihre Art und Weise einfach perfekt. Da gibt es für mich eigentlich keine so klare Auswahl. Ich würde gerne mit jedem auf der Welt mal zusammenarbeiten.

Klassik Radio: Zuletzt: Worauf dürfen wir uns in deinem neuen Album „Exposition“ freuen?

Louis Philippson: Es ist eine „Exposition“, ein Neuanfang, gerade für mich persönlich. Der Neuanfang meiner Karriere, aber auch eine neue Art und Weise, Klassik mitzuteilen. Wie wir Klassik erfahren und was Klassik ist.

Klassik Radio: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Evita Helling.


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