"Boléro" - pünktlich zu Ravels 150. Geburtstag kommt Drama ins Kino

Interview mit Regisseurin und Hauptdarsteller:"Boléro" - pünktlich zu Ravels 150. Geburtstag kommt Drama ins Kino

Der "Boléro" von Maurice Ravel ist sein berühmtestes Werk. Wieviel Nerven und Arbeit es ihn gekostet hat, sein Meisterwerk zu vollenden, zeigt das Drama "Boléro" und lässt den Zuschauer dabei ganz tief in Ravels Seele blicken. Wir haben mit Regisseurin Anne Fontaine und Hauptdarsteller Raphaël Personnaz gesprochen.

"Boléro"  - pünktlich zu Ravels 150. Geburtstag kommt Drama ins KinoFoto: ©X Verleih - Pascal Chantier

Maurice Ravel sucht nach Inspiration, er verzweifelt, fängt sich wieder, beginnt von neuem zu Komponieren, nur um kurze Zeit später entnervt die Ergebnisse zu verwerfen....im Drama "Boléro" bekommt der Zuschauer ein Gefühl für den kreativen Schaffungsprozess des berühmten Komponisten und wieviel er ihm abverlangt. Hautnah erlebt man seine Selbstzweifel, sein inneres Ringen mit sich, und dass, obwohl er doch schon längst ein gefeiertert Komponist ist. Regisseurin Anne Fontaine hat ein Meisterwerk der leisen Töne geschaffen, dass sensibel Schicht für Schicht die vielseitige Persönlichkeit des großen Komponisten offenlegt. Sie nimmt sich Zeit für kleine Details, für zwischenmenschliche Begegnungen, die teils ohne Worte auskommen, aber tief berühren. Raphaël Personnaz überzeugt dabei in der Rolle des sensiblen, fragilen und oft in sich gefangenen Komponisten, der das Alleinsein sucht und sich dann doch oft einsam fühlt. Klassik Radio hat mit der Regisseurin Anne Fontaine und ihrem Hauptdarsteller Raphaël Personnaz gesprochen.

Frau Fontaine, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Film über Maurice Ravel und seinen "Boléro" zu drehen?

Anne Fontaine: "Das Ganze war wirklich außergewöhnlich: ich bin mit einem Freund an einem Strand auf Formentera spazieren gegangen und wir haben uns über Musik unterhalten. Ich wollte gerne einen Film über einen französischen Komponisten drehen. Und auf einmal, wie aus dem Nichts, kam mir der Name Maurice Ravel in den Sinn. Dabei wusste ich kaum etwas über ihn, abgesehen davon, dass er den "Boléro" und weitere Werke geschrieben hat. Ich habe also angefangen, über ihn zu recherchieren und habe eine außergewöhnliche Persönlichkeit entdeckt, die unglaubliche Musik geschaffen hat. Und das hat zu diesem Film über ihn geführt.

Gibt es etwas, das Sie besonders an Maurice Ravel fasziniert hat?

Anne Fontaine: Was mich besonders berührt hat, war seine Zerbrechlichkeit und die Tatsache, dass auch ein Genie wie er manchmal vergeblich nach Inspiration sucht und merkt, dass sie ihm entgleitet. Das ist berührend für alle, die versuchen etwas zu schaffen, egal in welchem Bereich. Man braucht Selbstkontrolle und Inspiration, doch nicht immer geht beides Hand in Hand. Und ich glaube, dieser Umstand bildet auch das unruhige Zentrum des Films.

Herr Personnaz, wie sind Sie denn dazu gekommen, Maurice Ravel darzustellen?

Raphaël Personnaz: Das Ganze hat damit angefangen, dass ich ein Treffen mit Anne hatte. Und sie hat mich gesehen und direkt gesagt: 'Du passt gar nicht vom Typ her." (lacht)

Anne Fontaine: "Das habe ich gesagt? Daran kann ich mich gar nicht erinnern!"

Raphaël Personnaz: "Doch, ich ähnel ihm ja auch überhaupt nicht."

Anne Fontaine: "Ja, äußerlich nicht, das stimmt."

Raphaël Personnaz: Schließlich meinte sie aber, wir sollen uns wieder treffen und ich soll das Drehbuch lesen. Das habe ich getan und es ist sehr aufwühlend gewesen, aus verschiedenen Gründen. Zum einen, weil ich nichts über Maurice Ravel wusste und dann dieses Genie entdeckt habe: einen Mann der unerreichbar erschien, der aber so zerbrechlich und menschlich gewesen ist, wie der Film zeigt. Abgesehen davon, ist es auch eine Rolle, die man nicht jeden Tag angeboten bekommt. Tatsächlich habe ich sehr lange auf so eine Rolle gewartet.

Sie haben sich dann auch sehr intensiv auf die Rolle vorbereitet, sogar Klavier spielen und Dirigieren gelernt...

Raphaël Personnaz: Ja, das ist natürlich obligatorisch bei so einer Rolle. Außerdem habe ich abgenommen, um mich so zerbrechlich zu fühlen wie er, ohne es spielen zu müssen. Tatsächlich erlebt man so auch alles viel intensiver. Außerdem habe ich viel über Ravel gelesen und mich mit Musikern getroffen, die Ravel spielen. Sie kennen sein Innerstes, denn sie spielen seine Musik und seine gesamte Persönlichkeit spiegelt sich in seiner Musik wieder.

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Hat es auch geholfen, dass Sie in Maurice Ravels echtem Haus drehen durften?

Raphaël Personnaz: Es ist eine einzigartige Möglichkeit, Maurice Ravels echtes Haus betreten zu dürfen. Er ist vor fast 90 Jahren verstorben und trotzdem ist dort noch alles unverändert. Alles ist noch am selben Platz, das hat eine ganz besondere Poesie.

Frau Fontaine, wie haben Sie es eigentlich geschafft, im Originalhaus drehen zu dürfen, das ist ja eigentlich gar nicht möglich?

Anne Fontaine: Ja, es ist eigentlich unmöglich. Es ist ein Museum, das nur ab und an von maximal zwei Personen besucht werden darf, unter strenger Überwachung. Ich habe mich an den Bürgermeister des Ortes gewandt und versucht, ihn davon zu überzeugen, dass es von Vorteil für seine Gemeinde sein könnte, wenn er uns dort drehen lässt. Ich habe ihn zwei Mal besucht. Beim ersten Mal hat er nicht direkt nein gesagt und beim zweiten Mal hat er es erlaubt, unter der Bedingung, dass bei den Dreharbeiten nur vier Personen anwesend sind.

Was ist das Besondere an dem Originalhaus von Ravel?

Anne Fontaine: Die Gänge sind sehr eng, denn Ravel ist sehr zierlich gewesen. Er hat sich selbst eine Art Puppenhaus gebaut, ausgerichtet an seinen Proportionen. Der Garten ist ein japanischer Garten, wie man auch im Film sehen kann. Das Haus strahlt wirklich etwas von Ravels Persönlichkeit aus.

Herr Personnaz, wie hat es sich denn angefühlt, an Maurice Ravels Klavier zu sitzen?

Raphaël Personnaz: Wenn man an dem Klavier sitzt, an dem Maurice Ravel persönlich den Boléro komponiert hat und spielt dieselben Noten wie er damals, dann passiert etwas magisches, das auch Anne mit ihrer Kamera eingefangen hat. Man sieht vom Klavier aus ein Gemälde seiner Mutter, die ihn zu betrachten scheint. Man spielt am Klavier und sieht das Gemälde und wird gepackt von dieser Atmosphäre und diesem besonderen Moment.

Bei "Boléro" hat ja auch Star-Pianist Alexandre Tharaud mitgewirkt und sogar mitgespielt...

Anne Fontaine: Alexandre Tharaud ist ein guter Freund von mir und sobald mir die Idee zum Film „Boléro“ kam, habe ich an ihn gedacht, denn er ist ein Ravel-Spezialist. Er hat mir auch direkt sehr viel über ihn erzählt. Alexandre spielt nicht nur die ganze Musik im Film, sondern auch einen Musikkritiker. Er hat ein unglaubliches Talent. Eigentlich sieht er aus wie Ravel: so zierlich und ewig jung – es ist unglaublich.

Raphaël Personnaz: Die Zusammenarbeit mit Alexandre Tharaud war sehr wichtig für mich. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Ravel und hat mir viel über ihn erzählt. Die beste Möglichkeit für mich, Ravel kennenzulernen. Interessant ist auch: Alexandre Tharaud spielt einen Musikkritiker im Film und hat so intensiv gerabeitet, wie ich es noch bei keinem Schauspieler gesehen habe. Er hatte eine unglaubliche Präzision, er war einfach genial.

An welche Zielpublikum richtet sich denn "Boléro"?

Raphaël Personnaz/ Anne Fontaine: An alle!

Anne Fontaine: Ich glaube, dass der Film alle berühren wird. Denn jeder hat ein Projekt, einen Traum oder ein Ziel, das er erreichen will. (....). Wenn man nun ein Genie sieht, dass trotz seines Talents in seinem Element nicht weiterkommt und an seine Grenzen stößt - ich glaube, das findet Widerhall, damit kann sich das Publikum identifizieren und es berührt einfach jeden.

Raphaël Personnaz: Wer sagt, das ist nichts für mich, das ist Klassik und nur für eine Elite bestimmt, liegt komplett falsch. Den "Boléro" kennen Kinder auf der ganzen Welt. Sie wissen vielleicht nicht, wie das Stück heißt oder von wem es ist, aber sie kennen die Melodie. Es ist die Musik, die bleibt. Das ist die Kraft der Musik: sie richtet sich an jeden.

Was würden Sie tun, wenn Sie Maurice Ravel auf einer Zeitreise begegnen könnten?

Anne Fontaine: Ich würde ihm vorschlagen, japanisch essen zu gehen und fragen, ob er Sushi mag. Er wüsste vermutlich nicht, was Sushi ist, aber er wäre dabei. Dann würden wir ein bisschen plaudern, nicht über Musik, sondern allgemein über die kleinen Dinge des Lebens.

Raphaël Personnaz: Ja, etwas Zeit mit ihm verbringen, vielleicht bei einem gemeinsames Essen und ich glaube, ich würde ihm keine Fragen stellen, sondern ihn lieber ganz ungezwungen erzählen lassen, was er möchte. Und selbst, wenn er nichts sagen würde und wir nur schweigend dasitzen würden, würde mir das nichts ausmachen.

"Boléro" läuft ab heute in den Kinos in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Klara Jäger / 06.03.2025

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