Die neue Oper der jungen Komponistin zeigt nicht nur, wie gut Pop und Klassik zusammenpassen, sie hat eine eindeutige Botschaft.
Mit gerade einmal acht Jahren hat sie ihre erste Mini-Oper geschrieben, seit Anfang des Monatas läuft nun die zweite große Oper der 18-jährigen Komponistin am Salzburger Landestheater. Mit "Des Kaisers neue Walzer" verfolgt sie gleich mehrere Ziele: "Zunächst einmal wollte ich eine schöne Liebesgeschichte erzählen, zwischen zwei jungen Menschen, aber auch zwischen zwei musikalischen Welten: klassischer Musik und Popmusik. Dann wollte ich eine musikalische Komödie schreiben, die nicht nur für Opernfans ist, sondern auch junge Menschen anspricht, die sonst keinen Zugang zur klassischen Musik haben. Und letztlich wollte ich die melodielose Welt der atonalen zeitgenössischen Musik parodieren - also Musik, die nur 'kluge' Menschen verstehen", erklärt die Komponisten, zuletzt mit ironischen Unterton.
Wenn ihr etwas hört, das eure Ohren quält und wie Lärm klingt, dann liegt es nicht daran, dass ihr nicht klug genug seid - es ist einfach Lärm!
Alma Deutscher, Komponistin
Denn wie im Märchen "Des Kaisers schöne Kleider" von Hans Christian Andersen, an das sich die Oper anlehnt, überbringt auch sie eine Botschaft in der musikalischen Komödie: "Die Botschaft ist vom Märchen inspiriert. Am Ende der Oper schreit ein Mädchen zum Walzer des Schwindlers: 'Das ist nur Lärm.' Ich wollte sagen: 'Leute, man hat euch an der Nase herumgeführt. Wenn ihr etws hört, das eure Ohren quält und wie Lärm klingt, dann liegt es nicht daran, dass ihr nicht klug genug seid - es ist einfach Lärm!' Ich wollte auch viele Komponistinnen und Komponisten befreien, die sich danach sehnen, schöne Musik zu schreiben, die aber in Musikhochschulen unterdrückt werden. Ich möchte die 'Metoo"-Wende' der schönen Musik herbeiführen", erläutert Alma Deutscher. A propos - auch MeToo und sexuelle Belästigung an einer Musikakademie werden in der Oper aufgegriffen.
Doch während Alma Deutschers Message, man sei nicht automatisch zu dumm, wenn man dissonante Klänge nicht verstehen würde, eigentlich befreiend ist und eher wie ein Appell wirkt, sich auf sein Bauchgefühl und den eigenen Geschmack zu verlassen - anstatt sich an den Ansprüchen anderer zu orientieren, fällen manche Rezensenten ein harsches Urteil und schrecken auch nicht vor schockierenden Vergleichen zurück. Wie dem, die Kritik der Komponistin an der Avantgardemusik erinnere an den Umgang der Nazis mit sogenannter "entarteter" Musik. Starker Tobak für ein junge Komponistin mit jüdischen Wurzeln. Wie geht sie damit um?
Dass der Männerclub der zeitgenössischen Musik versucht, ein jüdisches Mädchen mit Nazivergleichen zum Schweigen zu bringen, zeigt nur, wie viel Angst sie vor jeder Kritik haben!
Alma Deutscher, Komponistin
Darauf angesprochen meint sie: "Wenn ich 70 Jahre früher geboren wäre, dann hätten die Nazis mich, als Jüdin, ermordert, so wie sie Dutzende meiner Verwandten ermordet haben, darunter viele Kinder. Also, diese Unterstellung war nicht sehr gescheit. Ich habe durch Satire etwas geäußert, das viele sich nicht trauen, laut zu sagen. Dass der Männerclub der zeitgenössischen Musik versucht, ein jüdisches Mädchen mit Nazivergleichen zum Schweigen zu bringen, zeigt nur, wie viel Angst sie vor jeder Kritik haben. Mit aller Achtung: das ist nicht die Reaktion von Menschen, die sich ihrer Sache sicher sind. Natürlich ist diese Unterstellung auch absurd: Nur, weil ich mich über Katzenmusik lustig mache, die vielleicht auch Hitler schon nicht gemocht hat, verbreite ich Naziideen? Dann müsste jeder, der Wagner liebt, ein Nazi sein, denn Hitler hat ja Wagner vergöttert. Und jeder, der Hunde liebt, müsste auch ein Nazi sein, denn bekanntlich hat Hitler ja seinen Hund sehr geliebt. Bitte! Man muss fähig sein, für sich selbst zu beurteilen, anstatt sich an einem alten Psychopathen zu orientieren."
Mein Traum ist es, dass junge Menschen in ein Musical gehen, aber dann denken: 'Eigentlich war auch Oper darin und es hat überhaupt nicht weh getan, es war sogar schön.'
Alma Deutscher, Komponistin
Doch zurück zum eigentlichen Sujet: Bei ihrer Oper ist es der britischen Komponistin wichtig, dass sie ein breites Publikum erreicht, so ist auch die, teils von Kritikern bemängelte, Nähe zu Broadwayproduktionen und Musical durchaus gewollt: "Eigentlich wollte ich das Stück überhaupt nicht 'Oper' nennen, denn es ist halb Musical, halb Oper. Mein Held Jonas ist ein Popsänger, er singt Songs auf der Gitarre, er macht Rap über Mozart. Aber am Ende singt er auch in einer zehnstimmigen Fuge. Ich wollte zeigen, dass Oper und Musical viel mehr sind, als man denkt. Mein Traum ist es, dass junge Menschen in ein Musical gehen, aber dann denken: 'Eigentlich war auch Oper darin und es hat überhaupt nicht weh getan, es war sogar schön'", erläutert die Komponistin enthusiastisch.
Schließlich sind Popmusik und Klassik gar nicht so unterschiedlich: "Für mich sind es auf jeden Fall die schönen Melodien, die Pop und Klassik vereinen. Ich bin mir sicher, wenn Mozart oder Schubert, die schönsten Melodien von ABBA, Queen oder Elton John gehört hätten, dann wären sie neidisch gewesen und hätten gesagt: 'Ich wünschte, mir wäre das eingefallen.' Popmusik ist natürlich einfacher als Klassik, aber sie gehört zur selben harmonischen Welt. In meiner Oper entdecken das Jonas und Leonie, wenn sie zusammen ein Lied komponieren."
Ich bin mir sicher, wenn Mozart oder Schubert, die schönsten Melodien von ABBA, Queen oder Elton John gehört hätten, dann wären sie neidisch gewesen und hätten gesagt: 'Ich wünschte, mir wäre das eingefallen.'
Alma Deutscher, Komponistin
Und genau diese Kraft der Melodien möchte das britische Ausnahmetalent nutzen, um die Klassik vor dem Aussterben zu retten: "Damit eine Kunstform lebendig bleibt und nicht zu einem Museum von heiligen Relikten wird, braucht man immer etwas Neues und Frisches. Aber man braucht neue Musik, die die Menschen anspricht, die ihre Herzen bewegt, die ihnen Trost bringt, die sie unterhält. Und genau solche schöne neue Musik durften wir schon seit langem nicht bekommen. Wir durften entweder alte Meisterwerke oder neue Lärmexperimente hören. Nur neue publikumstaugliche Musik kann die Klassik vor dem Aussterben retten".
Könnte dabei vielleicht auch helfen, Dresscode und Verhaltensregeln bei klassischen Konzerten zu lockern? "Natürlich wird es helfen, wenn man junge Leute nicht einschüchtert. Mir z.B. als Komponistin und auch als Dirigentin, gefällt es eigentlich sehr, wenn das Publikum nach jedem Satz klatscht. Das Wichtigste ist aber, dass man dem Publikum auch neue, schöne Musik präsentiert. Ich werde heuer in Wien eine Serie von Konzerten dirigieren, mit meinen eigenen Stücken. Da rede ich mit dem Publikum, erzähle über die Stücke und versuche eine informelle Atmosphäre zu schaffen", berichtet die Komponistin.
Natürlich wird es helfen, wenn man junge Leute nicht einschüchtert. Mir z.B. als Komponistin und auch als Dirigentin, gefällt es eigentlich sehr, wenn das Publikum nach jedem Satz klatscht.
Alma Deutscher, Komponistin
Auch sonst hat Alma Deutscher viele Projekte geplant - nach einer weiteren Oper gefragt meint sie: "Ja, ich habe schon Ideen für meine vierte Oper (vor "Cinderella" und "Des Kaisers neue Walzer gab es schon eine Mini-Oper "Der Traumfeger"), aber ich möchte jetzt noch nichts verraten. Erstmal möchte ich meine Oper "Des Kaisers neue Walzer" auch selbst dirigieren und eine englische Fassung davon erstellen und vielleicht einen Film daraus machen. Ich werde heuer eine Serie von Konzerten in Wien dirigieren- mit meinen eigenen Stücken und mit solcen Konzerten möchte ich in den nächsten Jahren auch in anderen Ländern auftreten - es gibt also viele Pläne".